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Zum Ablauf des alten UN-Mandats in Kroatien streitet sich der Sicherheitsrat über den neuen Namen. Der ist Symbol: Kroatien will die Kontrolle über das eigene Territorium wiedererlangen – die Serben lassen das nicht zu. Von Erich Rathfelder

Ein Kürzel bringt Krieg oder Frieden

Ein winziger Unterschied in der Sprachregelung über das neue Mandat der UNO-Truppen in Kroatien kann darüber entscheiden, ob dieses Mandat verlängert wird oder nicht. Bei der Diskussion im Weltsicherheitsrat ist es deshalb zu einem heftigen Streit zwischen Rußland und Deutschland gekommen. Während die kroatische und die deutsche Seite darauf beharren, daß der Titel darauf hinweisen muß, daß es sich um eine Mission der Vereinten Nationen in Kroatien handele, will Rußland in Unterstützung der serbischen Position den Hinweis auf Kroatien getilgt wissen.

„United Nations Confidence Restauration Operation (Uncro) in Croatia“, also „UN-Operation zur Wiederherstellung des Vertrauens (Uncro) in Kroatien“ stand im Resolutionsentwurf – damit war Zagreb nicht einverstanden. Außenminister Mate Granić wollte das Kürzel verschoben sehen, also die Variante: „United Nations Confidence Restauration Operation in Croatia (Uncro)“, so daß das „Cro“ im Kürzel an „Croatia“ erinnert. Jetzt scheint der von den USA, Großbritannien und Frankreich eingebrachte Kompromißvorschlag: „UN-Confidence Restauration Operation in Croatia“ (Uncro) vielleicht die Wogen zu glätten.

Das neue Mandat für die UNO- Truppen, wie es im Weltsicherheitsrat schon vor dem Stichtag, dem 31. März, verabschiedet schien, ist damit in Gefahr geraten. In ultimativer Form hatte Kroatiens Außenminister Granić in der Nacht zum Freitag den Sicherheitsrat aufgefordert, der neuen UNO-Truppe den von Kroatien gewünschten Namen zu geben. Andernfalls „wird die Republik Kroatien ihre Zustimmung zur Aufstellung der neuen Truppe nicht geben“, heißt es in dem Brief. Granić verwies ausdrücklich darauf, daß die Zustimmung zum bisherigen Mandat und zur Anwesenheit der UNO-Truppen in Kroatien am „31. März 1995, um 17 Uhr New Yorker Zeit“ auslaufe.

Dabei schien schon alles gelaufen zu sein. Noch zu Beginn dieser Woche waren die UNO-Offiziellen guten Mutes, daß ihre Vorschläge von den Kroaten angenommen werden würden. Zwar hatte sich die Weltorganisation geweigert, die Bestimmungen des nie umgesetzten Vance-Planes, – das war der Plan, der die Grundlage für die Stationierung der UNO- Truppen in Kroatien 1991 geschaffen hatte – explizit zu erneuern. So zum Beispiel den Passus über die Entwaffnung der serbischen Freischärler in den von Serben okkupierten Gebieten Kroatiens. Oder auch die schrittweise Etablierung der Autorität der kroatischen Behörden über das gesamte Gebiet und die Grenzen des Landes.

Die UNO-Truppen sollen dort jetzt lediglich „bei der Kontrolle, der Überwachung und der Berichterstattung“ über die Grenzüberschreitung von militärischem Personal, Ausrüstungen, Versorgungslieferungen und Waffen eingesetzt werden. Nach Meinung der Kroaten allerdings sollten die UNO-Truppen wenigstens an der Staatsgrenze zu Restjugoslawien und Bosnien stationiert werden und „den legitimen kroatischen Autoritäten“ assistieren.

Über die von Kroatien geforderte und von UNO-Generalsekretär Butros-Ghali vorgeschlagene Verringerung der Truppenstärke wurden ebenfalls keine Beschlüsse gefaßt. Diplomaten aus dem Sicherheitsrat sagten, Butros- Ghali solle dafür so bald wie möglich Vorschläge erarbeiten.

Der Namensstreit hat also eine weit größere Bedeutung, als er nach außen zu signalisieren scheint. Er könnte über Krieg und Frieden in Kroatien entscheiden. Der kroatischen Seite muß es jetzt darum gehen, in der Frage der besetzten Gebiete endlich substantielle Fortschritte zu erzielen. Eine weitere Verzögerung, eine weitere Zementierung des Status quo verringerte die Ausssichten, daß die besetzten Gebiete jemals unter die kroatische Kontrolle zurückkehren könnten. Zwar hatte der kroatische Präsident Franjo Tudjman Anfang März in Verhandlungen mit dem US-amerikanischen Vizepräsidenten Al Gore Verhandlungsbereitschaft signalisiert und war damit von seinem Diktum vom 12. Januar abgerückt, wonach die UNO-Truppen zum 31. März aus Kroatien abzurücken hätten.

Doch diese Haltung wurde schon damals von starken Kräften innerhalb der Regierung und auch der Gesellschaft kritisiert. Auch im kroatischen Militär herrscht die Meinung vor, entweder jetzt die Entscheidung zu wagen oder sich mit dem Verlust von 22 Prozent des Staatsgebietes abzufinden.

Falls die UNO sich nicht zu einem den Kroaten entsprechenden Mandat durchringen kann, hätte sie noch die Möglichkeit, auf den Artikel VII der UN-Charta zu verweisen. Nach diesem Artikel sind auch Einsätze der UNO gegen den Willen der Betroffenen möglich. Die Anwendung dieses Artikels würde die UNO-Truppen vor Ort jedoch in eine noch schwierigere Lage bringen.

Vielleicht könnte zur Entspannung beitragen, daß der kroatische Armeechef Bobetko am Donnerstag von UNO-Soldaten aus einem Schneesturm in Zentralbosnien gerettet worden ist. Fünf seiner Begleiter waren in den meterhohen Schneeverwehungen erfroren. Bobetko hatte den bosnischen Armeechef Delić in Zenica getroffen, um mögliche militärische Aktivitäten nach dem Abzug der UNO- Truppen zwischen beiden Armeen zu koordinieren.

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