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Im Aufwind: Musik satt in Bremen

■ Die Wüste lebt (5): In der E-Musik-Szene ist eine Menge Aufbruch zu verzeichnen.

Kommt Besuch von außerhalb, heißt es immer wieder: „Was bei Euch alles los ist!“ Das gäb's in München, Hamburg, Berlin nicht, von kleineren Städten ganz zu schweigen. Dann finden wir uns auch gar nicht so provinziell und schaun einmal, was diesen Eindruck hervorrufen könnte. Der Bremer E-Musik-Szene, um bei dieser unguten, aber immer noch irgendwie gültigen Klassifizierung zu bleiben, weht tatsächlich in den letzten Jahren ein Wind um die Ohren, der nicht von schlechten Eltern ist. Fruchtbar geworden ist dabei vor allem das Ineinander verschiedener Initiativen, die Mischfinanzierungen aus Kultur, Wirtschaft und freien Sponsoren, nicht zu vergessen die ohne jegliche Zuschüsse arbeitenden Agenturen und Verbände wie Praeger und Meier.

Und welch berechtigte interne Kritik auch immer geübt werden kann und muß, zum Beispiel an der Konzeption des Musikfestes und an den Programmen der Kammerphilharmonie. Nicht zu leugnen ist, welche Ausstrahlung dieser Qualitätsschub auf das gesamte Klima – für MacherInnen ebenso wie für HörerInnen – in Bremen hatte und hat. Heute soll zunächst einmal von der Staatsknete die Rede sein, und zwar der, die im Haushalt der insgesamt 124 Kulturmillionen verankert ist.

Nach anfänglichen Zögerlichkeiten hat die Kultursenatorin Helga Trüpel zweierlei erreicht: die Kultur ist zum Diskussionsthema geworden, auch gilt das kulturelles Klima nun als entscheidend für die Lebensqualität der Stadt. Zum zweiten verschleiert sie die Spar-sachzwänge nicht mehr, was zunehmend erlaubt, die Dinge offensiv in die Hand zu nehmen. Daß sie dabei nicht die verwaschenen Positionen ihrer Partei vertritt, die immer noch auf der unsäglich banalen Ebene argumentiert, Qualität sei elitär, ist hinlänglich bekannt und bedarf hier keiner Diskussion.

Noch einmal: Bremens Kulturetat steht mit 1,4 Prozent vom Gesamthaushalt am peinlichen Ende im Vergleich zu anderen Städten und Ländern. Für die Musikförderung wird ca. 8 800 000,- DM ausgegeben. Das ist ein Betrag, der sich zusammensetzt aus den Haushaltstiteln und den Lottomitteln, die ihrerseits anteilig auf Kultur, Bildung und Soziales verteilt werden. Die Lottomittel für die Musikförderung betragen 310 000,- DM und werden entsprechend jährlichen Anträgen ausgegeben. Vom „Hauhaltsgeld“ soll hier zunächst die Rede sein.

Den Löwenanteil schluckt das Philharmonische Staatsorchester mit gut vier Millionen Mark: es braucht allerdings neun. Die Differenz wird erwirtschaftet aus Konzerten, Rundfunkeinnahmen und vor allem auch den Zahlungen des Theaters. Denn die Konstruktion will es so, daß das Orchester ans Theater ausgeliehen wird. Das jahrelang anhaltende Tief scheint nun beendet: Jahrelang wurde der Generalkmusikdirektor nicht gefunden. Und die Besetzung der fehlenden Stellen, die erst ein A-Orchester ausmachen und die Grundlage für ein gängiges Repertoire sind, sie wurden nur immer versprochen. Nun ist Günther Neuhold gefunden und die Stellen sind zugesagt. Damit und mit der Neubesetzung wichtiger Positionen hat das Philharmonische Staatsorchester eine neue Motivation, die nach einigen Schlappheiten in den letzten Jahren auch schon hörbar ist: da wird wieder Musik gemacht, mit guten Programmen und interessanten und interessierten DirigentInnen.

Mit Sicherheit ist auch der Impuls nicht zu unterschätzen, der über die Ansiedelung der „Deutschen Kammerphilharmonie in Bremen“ in die Stadt kam: die Kammerphilharmonie mit ihren aufregenden Interpretationen und Projekten erhält insgesamt 1,3 Millionen Mark von den Ressorts Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur (600 000,-). Dafür müssen sie sechs Konzerte pro Jahr abliefern und den Namen „Deutsche Kammerphilharmonie Bremen“ in alle Welt tragen, was nachweislich nicht immer geschieht: das „Bremen“ fällt dann gelegentlich weg. Weiteres Geld kommt von Sponsoren, von denen sie sich unabhängiger glaubt als sie ist. Es sind Eintrittsgelder, was dem Orchester auch eine Menge Sachzwänge auferlegt, zum Beispiel durch die Popularität der Programme. Man wird sehen, wie's weitergeht, auch mit dem festen Dirigenten Thomas Hengelbrock, den die MusikerInnen jetzt engagiert haben. Eigentlich widerspricht das ihrer ursprüngliche Konzeption nach der sie nur basisdemokratische, selbstverwaltete und freie Projekte machen wollten. 1996 fällt die Kammerphilharmonie gänzlich ans Kulturressort zurück.

Zum Haushaltstitel für Kulturprojekte gehört auch der 1,5 Millionentopf, den Trüpel am Anfang erhielt, als man ihr das Sozialressort wieder weggenommen hat. Daraus bezieht Dacapo seine Personal- und Sachmittel: immerhin 210 000,- Mark für die Organisation fast ausschließlich Neuer Musik. Der Zuschuss, den das Musikfest bekommt und um den Trüpel sich vergangenes Jahr fast drücken wollte, kam dann über einen „Nulldeal“ zustande: Für den Sanierungsbereich Focke-Museum zahlte der Wirtschaftssenator die gleiche Summe unter der Bedingung, daß Trüpel das Geld fürs Musikfest rausrückt.

Zusammen mit der gleichen Summe des Wirtschaftssenators ist dieser Grundstock nicht viel mehr als 1,5 Prozent des Gesamtetats des Musikfestes, dessen zum Teil sensationelle Engagements – zum Beispiel die regelmäßigen Auftritte John Eliot Gardiners – mit dem hohen Einsatz der Sponsoren geleistet werden. Von denen aber will Musikfestmacher Thomas Albert nie abhängig werden, und deswegen schustert er jedes Konzert einem bestimmten Sponsor zu: Kein Drama also, wenn einer mal wieder ausfällt.Unerfreulicher sieht's aus mit der Musikschule, die nach Behördenaussage nun „effektiver arbeiten“ und „Privilegien abbauen“ sollte, zum Beispiel dreißig Stunden unterrichten statt 27 wie auch anderswo in der Republik. Außerdem wurden bei dieser „nachgeordneten Dienststelle“, die besonders schmerzhaft das rigorose Vorgehen des Staatsrates erleben mußte, vor zwei Jahren alle Schülerverträge gekündigt. Die Gebühren aber wurden gleichzeitig um 20 Prozent erhöht. Nur achtzig Prozent der Schüler haben sich zurückgemeldet. Zusätzlicher Einstellungsstopp, der alleinige Ausbau der Grundausbildung ohne die Möglichkeit, hinterher den angemessenen Einzelunterricht zu bekommen, schaffte eine Situation, die der Leiter Heiner Buhlmann so sieht: „Die Anmeldungen gehen zurück, die Motivation der Lehrer ist am Ende, sie wandern ab“. Er erhält 3,7 Millionen und weder er noch wir verstehen, warum die Musikschule bei Kultur angesiedelt ist.

Natürlich lebt das Konzertleben auch nicht ganz unbedeutend von dem Einsatz des Bildungssenators. Da gibt es die sogenannte „Herbstakademie“, die Meisterkurse für Musikstudenten und entsprechende Konzerte bietet. Nicht aus der Hochschule heraus entwickelt, sondern ihr von der Behörde aufgedrückt, lief sie von Anfang an lieblos betreut und erreichte wenig innovative Angebote. Die Anbindung der Akademie für Alte Musik an die Hochschule – dies auch zunächst gegen ihren Willen – und die Neubesetzung von vier Professuren – Komposition, Gesang, Cello und Dirigieren – trägt bereits erste Früchte auch im Konzertleben. Bedeutend hier vor allem: ein Etat für Neue Musik, den es nie gab. Ja, und dann gibt es noch den Einsatz des Wirtschaftssenators, dessen Gelder für Kultur die Agentur Pölking-Eigen am liebsten auch von Kultur verwaltet sehen wollte. Aber nein: es geht um Tourismusförderung. Neben Kammerphilharmonie und Musikfest bezuschusst Jäger Vegesacker KITO, die Europaen Chamber Association, die nach einem groß aufgemachten ersten Konzert erst mal wieder in der Versenkung verschwunden ist.

Es herrscht also insgesamt Aufbruchsstimmung. Im nächsten Artikel soll beleuchtet werden, wie es neben den staatlichen Einrichtungen um die anderen Institutionen wie der Agentur Praeger und Meier, den Philharmonischen Kammerkonzerten und Radio Bremen und weiterhin um die „Empfänger“ der Lottomittel steht.

Ute Schalz-Laurenze

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