: Chinesisches Treibhaus
Viele Entwicklungsländer legen jetzt erst so richtig los mit den Treibhausgasemissionen ■ Von Annette Jensen
Berlin (taz) – Die chinesische Wirtschaft wächst alljährlich mit zweistelligen Zuwachsraten. Ähnlich schnell soll die Stromerzeugung wachsen, um die boomende Wirtschaft zu versorgen: Kraftwerke mit 15.000 Megawatt Kapazität sollen in China Jahr für Jahr ans Netz gehen. „In den nächsten drei bis fünf Dekaden wollen wir die Elektrizitätserzeugung verzehnfachen, damit wir das Niveau eines durchschnittlich entwickelten Landes erreichen“, verkündete der Chef der staatlichen Umweltbehörde, Song Jian. Die Energie wird vor allem aus der Kohle kommen, denn davon hat das Land reichlich. Jede dritte Tonne wird heute in China produziert.
Ein Teil des benötigten Stroms könnte auch durch Effizienzsteigerung bei der Produktion ersetzt werden. Im Vergleich zu modernen Kohlekraftwerken, die etwa 45 Prozent der Primärenergie nutzen können, verpuffen in China durchschnittlich 20 Prozent mehr. Auch beim Transport der Energie könnten durch moderne Technik gut 16 Prozent eingespart werden, glauben Experten. Schrittweise will die chinesische Regierung außerdem die Stromerzeugung aus Wind, Sonne und Biomasse steigern. Doch sie läßt keinen Zweifel daran, daß der weitaus größte Teil der Investitionen für den Aufbau konventioneller Kapazitäten draufgehen wird.
Dabei ist den Funktionären in Peking durchaus bewußt, daß eine massive Umweltverschmutzung wie in den letzten Jahren auf Dauer nicht gutgehen kann. Seit über 16 Jahren gibt es offiziell eine Regelung, die Luft- und Wasserverpester zur Kasse bittet. Betriebe, die die staatlich festgelegten Grenzwerte überschreiten, sollen zahlen. „Auf dem Papier sind die Gesetze gar nicht so schlecht“, berichtet Eva Sternfeld, die am Ostasiatischen Institut der Freien Universität in Berlin über Umweltprobleme Chinas arbeitet. Zwar sei darin nicht vom Klima die Rede, aber mittlerweile hätten auch die offiziellen Stellen erkannt, daß die Emissionen große Gesundheitsschäden bei der Bevölkerung verursachen. Von den zehn Städten mit der dicksten Luft der Welt befinden sich fünf in China. Immerhin sollen 200.000 umweltverschmutzende Firmen seit Inkrafttreten des Gesetzes bestraft worden sein. 13,1 Milliarden Yuan (zwei Milliarden Mark) sollen nach Angaben des „OECD Observer“ insbesondere in den letzten Jahren in den Fonds geflossen sein, aus dem der Bau umweltgerechterer Anlagen unterstützt werden soll. Viele der größten Dreckschleudern aber sind Staatsbetriebe. Ihre Chefs juckte es jahrelang gar nicht, wenn sie für die Abgase zahlen mußten – die Defizite übernahm ja die öffentliche Hand. Inzwischen allerdings werden gelegentlich bankrotte Staatsfirmen geschlossen. In der Energiewirtschaft aber dürfte das selten vorkommen: Seit geraumer Zeit gibt es wegen der boomenden Wirtschaft permanent Stromengpässe. In den Sonderwirtschaftszonen verlieren die Behörden zunehmend die Kontrolle. Zu schnell entstehen immer neue Firmen, die auf raschen Profit aus sind und sich um die Umwelt nicht scheren. Zwar schreibt das Gesetz für neue Anlagen Mindeststandards vor. „Tatsächlich aber überprüft das kaum jemand. Und notfalls wird der Mensch vom Aufsichtsamt zum Essen eingeladen und mit Geschenken korrumpiert“, sagt Sternfeld. „Die meisten Beobachter glauben, daß es China nicht gelingen wird, seine Treibhausgase ohne internationale Finanz- und Technikhilfe unter Kontrolle zu bringen“, schreibt der „Global Environmental Change Report“. Weltbank, Asiatische Entwicklungsbank und UNO fördern bereits Projekte. So unterstützen sie Effizienzmaßnahmen in der Zementindustrie und ein Programm, mit dem die Pekinger Haushalte ans Gasnetz angeschlossen werden. Das aber wird nicht reichen, um das Weltklima zu retten.
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