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Freiklettern an der Lärmwand

■ Neu in der Bremer Bretterszene: Bishop En Culer, die Konstrukteure des dialektisch verschraubten Maschinenklangs

Wenn sie reden, klingen alle Bands gleich. „Man macht eben das, was man gerne hören will.“ Das findet Oliver, der Tastenmann bei „Bishop En Culer“, und empfindet damit wahrscheinlich wie 90 Prozent aller Bands der Welt. Interessant werden solche Sprüche erst im Verhältnis zur Musik. Und da macht die Musik der Bremer Gruppe deutlich, was diese eigentlich meint: Was Bishop En Culer hören wollen, ist nämlich weitab von altbekannten Pophörgewohnheiten und verstört sogar die hart trainierten Ohren der Undergroundfans. Eine neue CD mit entsprechend brachialem Titel („Frontal“) hat man soeben auf den Markt geworfen; heute abend stellt die Band ihr Werk und ihre Weisheiten der geneigten Öffentlichkeit vor.

Melodien, beispielsweise, sind hier Nebensache. Eingängige Refrains: Fehlanzeige. Die Bremer Bischöfe verstehen sich als „harte Band“ – „es geht schon um Brett“, sagt Gitarrist Thies. In diesem speziellen Fall konstruieren die Musiker aus den Brettern eine Soundwand. Sphärenklänge aus dem Keyboard, hammerhartes Gedröhne von den Saiteninstrumenten. Aber die Soundwand hat auch Lücken; Momente, für die die rhythmisch geschlagene Gitarre und der wippende Bass sorgen. Ein ewiges Stop-and-Go, das eine eigenwillige Dynamik, bisweilen auch Dramatik erzeugt. Ein eigensinniger Soundbastard – denkbar als Soundtrack für Fritz Langs „Metropolis“, aber ebenso als Tanzflächenreißer.

Sind die gesprochenen Stellungnahmen auch wenig ergiebig: Der Sound ist explizit als politisches Statement gemeint. Hier wummert eine Art tanzbarer, antikapitalistischer Protestgroove. Wer von der Härte dieser Musik erfaßt wird, soll durchaus die Bedeutungslosigkeit des Menschleins gegenüber der sägenden, allumfassenden Maschine nachempfinden. Daß diese natürlich durch den Menschen selbst erzeugt wird, gibt dem Spektakel natürlich die gewisse dialektische Note: Der Mensch schafft sich seine Hölle selbst. Und „Bishop“ ersetzt konsequent den lebenden Schlagwerker durch einen Drumcomputer.

Das schmeckt nicht jedem. Oft steht das Publikum der Lärmwand starr und fassungslos gegenüber. Das „Answer-Me“-Gebrülle von Bassist Mikis verhallt unerwidert. Dennoch verlief für das Quartett alles nach Plan, karrieremäßig. Von Anfang an standen die Bremer mit Independent-Größen wie „No Means No“ oder „Zeni Geva“ auf einer Bühne. Eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Single verkaufte sich auch gut. Und nun also: „Frontal“. Produktion und Pressen hat die Band vorfinanziert; dafür wird das Risiko etwas gemildert durch die Unterstützung des Bremer Labels „Cage 49“. So werden die Bremer nun bundesweit vertrieben.

Bleibt nur die Frage, wie man den komischen Bandnamen ausspricht. „Das ist aus einer französischen Sportreportage“, heißt es da; „der Kommentator hat sich so über den britischen Schiedsrichter Bishop aufgeregt, daß er ihn am Ende wüst beschimpft hat, er sei eben ,en culer'. Man stelle sich mal vor, daß Faßbender einen Unparteiischen als Arschloch beschimpft...“ Lars Reppesgaard

Heute um 20 Uhr: CD-Präsentation im „Römer“

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