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Weibliche Konferenzkultur

Im UN-Konferenzgetümmel mischen Frauen seit dem Umweltgipfel in Rio immer stärker mit / Vom Frauenforum beim Berliner Klimagipfel berichtet  ■ Karin Gabbert

Wieviel Energie verbrauchen Frauenkonferenzen? Die Veranstalterinnen des internationalen Frauenforums zum UN-Klimagipfel in Berlin standen jedenfalls bis zuletzt unter Strom, um immer neue Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Die Finanzen flossen spärlich und spät, Referentinnen konnten bis zuletzt keine Zusagen erhalten, und selbst der grün finanzierten Klimazeitung Landunter war das von der Gruppe „Frauen für Frieden und Ökologie“ organisierte Frauenforum nicht mal eine Ankündigung wert. Dennoch waren die Berliner Podien am letzten Wochenende mit hochkarätigen Politikerinnen, Projektefrauen und Feministinnen aus mehr als dreizehn Ländern besetzt.

Unterschwelliger Konsens unter all diesen Frauen war, daß das weibliche Geschlecht sich besonders dafür eignet, das Klima und die Erde zu retten. Mitunter war dies auch ein Grund dafür, daß konträre Positionen der Fachfrauen einfach nebeneinander stehenblieben. Nur einmal wagten ein paar junge Frauen die zaghafte Kritik, sie wollten nicht als Öko- Trümmerfrauen die Verwüstungen der Welt wiederherrichten und sich mit Müllsortieren als Therapie beschäftigen. Und so manche Besucherin fragte sich in der Pause immer noch, welche Fragen sich eigentlich beim Thema Frauen und Ökologie stellen.

Ein Grund für diese Ratlosigkeit mag darin liegen, daß das Thema Ökologie von der Frauenbewegung in Deutschland nicht diskutiert wird. Gleichzeitig interessieren sich die zahlreichen Frauen in Umweltgruppen selten ausdrücklich für Feminismus. Daß es hierzulande nach Tschernobyl einmal eine starke Frauen-Umweltbewegung gegeben hat, daran erinnerte am Wochenende indirekt nur Irina Gruschewaja vom Verein für Kinder in Tschernobyl. Mittlerweile zähle in den Staaten des ehemaligen Ostblocks nur der Aufbau der ruinierten Wirtschaft, und selbst Weißrußland setze auf den Bau von Atomkraftwerken. „Und das, wo in Weißrußland durch die Folgen von Tschernobyl nur noch 17 Prozent der Kinder gesund zur Welt kommen“, meinte Gruschewaja. „Wir lassen uns die Forderung nach lebensfreundlichen Energien nicht ausreden.“

Daß Frauen seit der Umweltkonferenz in Rio 1992 auf internationaler Ebene lebhaft über Frauen, Umwelt und Entwicklung diskutieren, ist an der deutschen Frauenbewegung bisher weitgehend vorbeigegangen. „Die einzigen, die auf dem Klimagipfel in Berlin wirklich zur Sache gehen, sind Frauen“, postulierte denn auch Jennifer Morgan aus den USA. So habe beispielsweise die Vorsitzende der Gruppe der 77 Entwicklungsländer als erste offen gegen die reichen Ölländer Stellung bezogen. Morgan kam als Vertreterin der regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) beim Berliner Gipfel direkt von der offiziellen Konferenz kurz auf das Frauenforum und illustrierte damit den neuen Politikstil auf UN-Konferenzen. Besonders regierungsunabhängige Frauen-Organisationen aus den USA setzen seit der Umweltkonferenz in Rio auf das Zauberwort Lobbying. Sie versuchen, ihre Regierungen zu beeinflussen, um so Fraueninteressen in die internationalen Verträge einzubringen.

Eine vehemente Vertreterin des Lobbying ist die US-Amerikanerin Claire Greensfelder. Sie gehört der Frauen-Umwelt-Entwicklungsorganisation WEDO an. Auch in Berlin bewies sie schlagfertig, daß sie keinerlei Scheu vor dem Umgang mit Macht kennt. Innerhalb der wachstumsorientierten Marktwirtschaften könne es keine echte Entwicklung geben, so eine Referentin, immerhin besäßen „die 358 reichsten Menschen der Welt soviel Geld wie 40 Prozent der Weltbevölkerung“. Darauf meinte Greensfelder: „Ich denke dabei nur an eines – wie komme ich an diese Namensliste ran, um von den Reichen Geld zu bekommen?“

Daß das Berliner Frauenforum keinen zentralen Platz im Berliner Konferenzgetümmel einnahm, lag nicht nur daran, daß die internationale Diskussion der Frauen über Umwelt hierzulande keinen Widerhall gefunden hat. Auch die Frauen-Lobby-Arbeit hat sich seit Rio immer stärker auf die offizielle Ebene der Konferenz verlagert. Hielten die NGOs in Rio noch eine große Gegenveranstaltung ab, kritisierten das ausbeuterische Weltwirtschaftssystem, den Militarismus, die Konzerne und die internationalen Machtverhältnisse, so konzentrierten sich die Frauenorganisationen auf der Menschenrechtskonferenz in Genf 1993 schon mehr aufs Lobbying. Ein Jahr später, auf der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo, waren die radikalen Kritikerinnen der Bevölkerungspolitik gar nicht mehr vertreten. Sie lehnten es ab, den Regierungen frauenfreundliche Formulierungen zur Legitimation ihrer Bevölkerungsprogramme zu liefern. Zum Weltsozialgipfel nach Kopenhagen Anfang 1995 reisten manche NGOs bereits als Mitglieder offizieller Regierungsdelegationen. Und auch auf dem Berliner Klimagipfel beraten diverse Frauen aus den NGOs die Regierungen.

Auf dem Weg von Rio nach Peking, wo im September die UN- Weltfrauenkonferenz stattfindet, scheinen die an den Konferenzen beteiligten Frauen ungeheure Energien zu entwickeln. Gleichzeitig aber werden die internationalen Verträge und Lernprozesse der Lobbyarbeit für Nichtbeteiligte immer undurchsichtiger. Das Frauenforum in Berlin war daher auch eine Nachrichtenbörse über den Stand der internationalen Konferenzkultur. Nur wenige Frauen kannten beispielsweise die Frauenagenda 21, die im Vorfeld des Rio-Gipfels erarbeitet wurde. Für Lobbyistinnen ist die Agenda ein Grundlagenpapier aller UN- Konferenzen. Ihre zentralen Forderungen: Eine neue Ethik im Umgang mit der Natur, Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd und den Geschlechtern.

Die Diskussionen des Berliner Forums sollen im September auf der Weltfrauenkonferenz in Peking ihre Fortsetzung finden. Für manche Besucherin war das Anreiz genug, doch noch auf den internationalen Konferenz- Zug aufzuspringen. Andere blieben kritisch: „Meine Herzensangelegenheit ist das jedenfalls nicht“, meint eine lapidar.

Und auch den „Beratungsbedarf“ der Europaabgeordneten Hiltrud Breyer konnte das Frauenforum nicht decken. Breyer hatte darauf hingewiesen daß die chinesische Regierung Menschenrechtlerinnen, Tibeterinnen und Lesben die Einreise nach Peking verweigere. Angesichts dessen und in Anbetracht des neuen chinesischen Eugenik-Gesetzes, das am 1. Juni in Kraft tritt, bat sie darum, über einen Boykott der Weltfrauenkonferenz nachzudenken. Doch daran war in Berlin kein Denken.

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