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Kein Aufenthaltszwang

■ Bürgerkriegsflüchtlinge dürfen nicht zwangsweise „verteilt“ werden

Berlin (taz) – Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina dürfen nicht gegen ihren Willen auf verschiedene Bundesländer „verteilt“ werden. Eine entsprechende Vereinbarung der Innenminister ist rechtswidrig. Das hat jetzt das Berliner Oberverwaltungsgericht in einem Grundsatzbeschluß entschieden (OVG 8 S 577.94). Die Richter verurteilten die Berliner Ausländerbehörde, einem 27jährigen bosnischen Flüchtling eine Duldung in Berlin zu erteilten, wo er bei seiner Tante wohnen könnte. Die Ausländerbehörde hatte ihn an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge verwiesen, das ihn in eine Flüchtlingsunterkunft nach Sachsen-Anhalt schickte.

Im März 1994 hatte eine Staatssekretärsrunde der Innenminister ein besonderes Verfahren für Bürgerkriegsflüchtlinge beschlossen: Um diejenigen Bundesländer finanziell zu entlasten, in denen überproportional viele Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien Zuflucht gesucht haben, sollten Neuankommende nach einem Prozentschlüssel auf weniger „belastete“ Länder verteilt werden. Dies war unzulässig. Eine Verteilungsregelung bedürfe nicht einer einfachen Absprache, sondern einer gesetzlichen Grundlage – und die sei nicht gegeben, so die Richter. Nach dem Ausländergesetz werde den Bürgerkriegsflüchtlingen eine Duldung erteilt, die aber enthält keine „Beschränkungen und Vorbehalte“ in bezug auf den Aufenthaltsort.

Im Zuge des Asylkompromisses wurde zwar ein eigener rechtlicher Status für Bürgerkriegsflüchtlinge geschaffen, der auch eine Verteilung vorsieht. Diese könne jedoch erst dann vorgenommen werden, wenn sich Bund und Länder geeinigt hätten, den Flüchtlingen auch die rechtliche Besserstellung zuzugestehen, die mit diesem Bürgerkriegsstatus verbunden ist. Vera Gaserow

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