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HU erfüllt Quote nicht

■ Konflikt um Repetitorien aus dem Justizprüfungsamt hat hochschulpolitische Hintergründe / Defizite im Jurastudium

Erstmals fand im vergangenen Wintersemester ein erstes juristisches Staatsexamen statt, an dem eine größere Anzahl von Studierenden der Humboldt-Universität teilnahm. Wie Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit (SPD) noch im Februar stolz verkünden ließ, lag die Durchfallerquote im schriftlichen Teil an der HU mit nur 19 Prozent deutlich niedriger als an der FU, wo 27 Prozent der Kandidaten die Prüfung nicht bestanden. Das zeige, „daß die juristische Fakultät der HU nur rund viereinhalb Jahre nach der deutschen Einigung konsolidiert ist und in der Ausbildung den hohen Standard der FU erreicht hat“.

Das ließ den FU-Präsidenten Johann W. Gerlach, selbst Professor für Bürgerliches Recht, nicht ruhen. Bereits seit längerer Zeit kursierten Gerüchte, daß Mitarbeiter des Justizprüfungsamts (JPA), die an der HU Repetitorien abhalten, Hinweise auf Examensfälle gegeben hätten. Den Anstoß, mit den Vorwürfen an die Öffentlichkeit zu gehen, gab aber erst der Erfolg der HU-Prüflinge im Staatsexamen. Gerlach forderte Mitte März in einem Schreiben an die Justizsenatorin, den JPA-Präsidenten Klaus-Peter Jürgens zu suspendieren. So weit mochte eine Krisenrunde, die sich daraufhin bei Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) traf, nicht gehen. Immerhin verständigte man sich darauf, daß die JPA-Mitarbeiter keine Repetitorien mehr bei Humboldts abhalten sollten. Um einen Interessenkonflikt von vornherein auszuschließen, sollen die Kurse künftig mit anderen Vertretern aus der Praxis fortgesetzt werden.

Als Beweismittel für seine Vorwürfe führte Gerlach neben Zeugenaussagen von FU-Studierenden einen Beitrag an, den Jürgens für die Fachschaftszeitschrift der HU-Juristen, ad rem, geschrieben hatte. Darin hieß es, er könne „durch Abgleich der Prüfungsthemen in den Klausuren mit dem im Repetitorium behandelten Stoff“ sicherstellen, „daß sich der Stoff der Repetitorien mit den Examensanforderungen deckt“.

Aus diesem Zitat zu schließen, Jürgens habe im Repetitorium konkrete Hinweise auf Examensfälle gegeben, bezeichnete HU- Dekan Bernhard Schlink bei einer Podiumsdiskussion als „infam“. „Wer gute Vorbereitungskurse abhält, erzielt eben manchmal einen Treffer“, wandte er sich gegen die Vorwürfe. Dennoch wertete er den Rückzug der JPA-Repetitoren als richtigen Schritt. „Wenn nach zwei Semestern die Examensergebnisse der HU immer noch deutlich besser sind, haben wir die Vorwürfe endgültig entkräftet.“ FU-Dekan Friedrich Ebel dagegen bezweifelt, „daß die Ausbildung an der Humboldt-Universität besser ist als bei uns“. Tatsächlich kommt die HU jedoch auf 30 Wochenstunden Repetitorien in den Pflichtfächern, während die FU für wesentlich mehr Studierende nur 14 Stunden anbietet.

Jedoch ist es auch nur eine Notlösung, den Studierenden den teuren Weg zum privaten Repetitor dadurch zu ersparen, daß die Uni derartige Veranstaltungen selbst anbietet. „Eigentlich müßte das Studium so angelegt sein, daß Repetitorien gar nicht nötig sind“, so eine HU-Studentin, „die Uni müßte sich eingestehen, daß sie versagt hat.“ Allerdings sind alle Versuche der letzten Jahrzehnte, das Jurastudium zu reformieren, im Sande verlaufen.

Daß die Reformdiskussion nicht in Gang kommt, ist kein Wunder. Nach der Juristenlogik mißt sich die Qualität einer Ausbildung an der Höhe der Durchfallerquote. Bundesländer wie Hamburg und Nordrhein-Westfalen, in denen nur 10 beziehungsweise 17 Prozent der Studierenden das Examen nicht bestehen, werden als „locker“ diskreditiert. Demnach bringt die HU den Ruf des Berliner Staatsexamens weniger durch mögliche Unregelmäßigkeiten, sondern schon allein durch die geringe Durchfallerquote in Gefahr.

Freilich hat der scharfe Ton der Debatte auch einen hochschulpolitischen Hintergrund. Neben internen Auseinandersetzungen an der Humboldt-Fakultät, wo die Reformer der ersten Stunde nach der Wende zunehmend in die Defensive geraten, geht es um Platzvorteile bei den bevorstehenden Stellenstreichungen. Schon seit einiger Zeit wird der Ton zwischen den Unis rauher. Gerlach will offenbar die im Zeichen des Berliner Wahlkampfs zunehmende Welle des West-Populismus nutzen. „Bei dem Verhalten des FU-Präsidenten spielt die Angst vor Mittelkürzungen eine große Rolle“, vermutet auch Uwe Wesel, Juraprofessor an der FU. „Da möchte man gegenüber der HU besser dastehen.“ Ralph Bollmann

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