: „Der Teufel steckt oft im Detail“
Dem Asylbeauftragten tut das Schleswig-Urteil „weh“, und „Pro Asyl“ sieht darin die „Korrektur Bonner Schönfärberei“ / Niedersachsen verlängert Abschiebestopp für Kurden ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
Gegensätzliche Reaktionen hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Schleswig ausgelöst, das vorgestern nachmittag gefällt wurde.
Während die Bundesarbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge „Pro Asyl“ den „Erlaß eines Abschiebestopps für Kurden aus der Türkei“ fordert, will der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten, Klaus Blumentritt, eine Revision gegen das Urteil erreichen.
Nordrhein-Westfalens sozialdemokratischer Innenminister Herbert Schnoor hat dagegen aufgrund des Urteils bereits angekündigt, vorerst keine Kurden aus dem Bürgerkriegsgebiet im Südosten der Türkei abzuschieben – obwohl der Richterspruch für sein Land nicht bindend sei. Niedersachsen läßt abgelehnte kurdische Asylbewerber noch bis zum 12. Juni im Land. Aus den Innenministerien von Bund und den anderen Ländern waren keine Stellungnahmen zu erhalten. Dort will man erst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. „In solchen Urteilen steckt der Teufel oft im Detail“, betonte der Sprecher des schleswig-holsteinischen Innenministeriums in Kiel. In Bayern, das bundesweit eine Vorreiterrolle bei der Abschiebung von Kurden in die Türkei spielt, hat man das Urteil noch gar nicht zur Kenntnis genommen. Christoph Hillenbrand, Sprecher des Innenministeriums, kennt „momentan nur noch Plutonium“.
Der Vierte Senat des OVGs hat in seinem Urteil verneint, daß Kurden auch innerhalb der Türkei eine Fluchtalternative hätten.
Genau damit hatte aber Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) die Aufhebung des generellen Abschiebestopps für abgelehnte kurdische Asylbewerber begründet. Das Gericht ging davon aus, daß Kurden in der östlichen Türkei als Gruppe verfolgt werden. Kurden, die in den westlichen Großstädten der Türkei Schutz vor Verfolgung suchen, fänden aber auch dort „keine hinreichende Sicherheit“.
Heiko Kauffmann von „Pro Asyl“ bezeichnete das Urteil als „notwendige Korrektur der Bonner Schönfärberei von Menschenrechtsverletzungen an Kurden in der Türkei“. Da die von Bonner Politikern behauptete „inländische Fluchtalternative“ erstmals von einem Oberverwaltungsgericht verneint worden sei, stehe „jetzt eine Revision aller bisherigen Ablehnungen an“.
„Das Urteil tut natürlich weh“, klagt dagegen der Bundesbeauftrage für Asylangelegenheiten, Klaus Blumentritt, über die möglichen Konsequenzen aus dem Richterspruch. Er will das Urteil vom Bundesverwaltungsgericht überprüfen lassen. Das „würde uns sehr am Herzen liegen“. Doch das OVG hat eine Revision nicht zugelassen. Blumentritt will nach Vorliegen des schriftlichen Urteils prüfen, ob er Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegen wird.
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