■ Eine Art „Normalisierung“ des Verhältnisses Kuba–USA: Flüchtlinge? Annahme verweigert!
Ein Gespenst geht um in den USA, und es ist nicht der kubanische Kommunismus, sondern seine verlorenen Söhne und Töchter: Die USA machen die Schotten dicht gegen kubanische Boat people. Ab sofort werden alle kubanischen Flüchtlinge, die sich auf halsbrecherischen Flößen gen Florida treiben lassen, von der US-Marine nach Kuba zurückgeschickt. Genauso wie lange schon die haitianischen Bootsflüchtlinge nach Haiti zurückgeschickt werden. Es ist der normale, unmenschliche Umgang der Festung USA mit unerwünschten Einwanderern aus Lateinamerika. Nur im Fall Kuba bedeutet diese Normalität eine grundlegende Kehrtwende in der US-Politik.
Die Bilder der kubanischen Flüchtlinge auf ihren surrealen Flößen aus Autoschläuchen und Holzplanken sind um die Welt gegangen. Für die USA waren diese verzweifelten Kubaner tatsächlich vor allem dies: der bildgewordene Zusammenbruch des kubanischen Sozialismus, die medial immer wieder reproduzierbare Anklage gegen die Unmenschlichkeit der Castro-Diktatur. Um den Propagandawert auszureizen, mußte der Gegensatz geschärft werden: Während es für Kubaner fast unmöglich war, ein legales Visum für die Immigration in die USA zu bekommen, erhielten die desperaten Bootsflüchtlinge in der „freien Welt“ einen Empfang erster Klasse: Barmherzige Samariter der US-Marine fischten sie aus dem Wasser, es gab Programme zur schnellen Eingliederung in die US-Gesellschaft, Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Aus und vorbei: Auch die kubanischen Flüchtlinge erhalten nun den Stempel „Annahme verweigert“. Die barmherzigen Samariter liefern sie fortan bei ihren Kollegen von den kubanischen Grenztruppen ab. Amtshilfe.
Es war ein kalter Poker der Macht, als Castro im vergangenen August die Grenzen öffnete: die Massenflucht von über 35.000 Kubanern als Fortsetzung des Antiimperialismus mit anderen Mitteln. Realpolitik in ihrer zynischsten Form – und mit Erfolg. Die Angst vor einem neuen Massenexodus (mit dem die Regierung in Havanna auch kaum verhohlen drohte) zwang die USA zur Aufgabe ihrer bisherigen Politik.
Weder Clinton noch Castro haben sich mit diesen Verhandlungen moralische Lorbeeren verdient. Trotzdem entschärft das Abkommen ein Stück weit den noch immer andauernden Kalten Krieg in der Karibik. Clinton opfert Propaganda für Pragmatismus, auch wenn er sich damit den Zorn der Exil-Kubaner und der rechten Hardliner in den USA zuzieht. Wenn dies der erste Schritt zu einer weitergehenden Normalisierung des Umgangs mit Kuba sein soll, wird er in Zukunft jedoch noch sehr viel mehr Rückgrat zeigen müssen – und dies zu hoffen, dafür hat Clinton bislang wenig Anlaß gegeben.
In Kuba feiert die Regierung das jetzige Anti- Flüchtlingsabkommen als Sieg, fast als Vorstufe der diplomatischen Anerkennung durch den Erzfeind. Für die Kubaner auf der Insal hat sich durch das US- kubanische Joint-venture gegen die Flüchtlinge jedoch kein einziges Problem gelöst. Bert Hoffmann
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