piwik no script img

Niedrigstlohn ist sittlich

■ Arbeitsgericht: Niedriger Lohn für ausländische Matrosen nicht „sittenwidrig“

Kassel (dpa) – Deutlich niedrigere Löhne für ausländische Besatzungsmitglieder von sogenannten Zweitregisterschiffen sind nicht sittenwidrig. Das hat das Kasseler Bundesarbeitsgericht (BAG) gestern entschieden. Zweitregisterschiffe fahren unter deutscher Flagge, sind aber im 1989 neu eröffneten Internationalen Schiffahrtsregister beim Bundesverkehrsminister eingetragen. Dadurch können deutsche Reedereien Seeleute zu den Bedingungen ihrer Heimatländer anheuern.

Das Bundesverfassungsgericht habe Anfang des Jahres das Zweitregistergesetz für verfassungsgemäß erklärt. Damit sei endgültig klar, daß auf Schiffen mit deutscher Flagge nicht in jedem Fall deutsches Recht gelte. Vielmehr müsse im Einzelfall geprüft werden, ob der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses in Deutschland oder im Heimatland des Seemanns liege. Im vorliegenden Fall hätten die vier klagenden Inder ihre Arbeitsverträge bei einem Heueragenten in Indien unterschrieben. Die Papiere seien auf englisch, der indischen Staatssprache, abgefaßt gewesen. Deshalb meine der Senat, daß indisches und nicht deutsches Recht anzuwenden sei.

Die vier Seeleute waren von Januar bis Juli 1990 auf dem deutschen Schiff „Vineta“ gefahren und hatten dafür umgerechnet 345 Mark Heuer im Monat bei 30 Arbeitstagen verdient. Sie forderten Entlohnung nach deutschem Recht und eine Nachzahlung von je rund 14.000 Mark. Die Arbeitsverträge auf der „Vineta“ waren von Gewerkschaftsseite immer wieder als Beispiel für „Knebelverträge“ angeführt worden. So müssen sich die Unterzeichner – meist Seeleute aus Dritte-Welt-Staaten – verpflichten, die ersten sechs Monate das Schiff nicht zu verlassen und auf jede gewerkschaftliche Betätigung zu verzichten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen