■ Standbild: Für Frühaufseher
„Good Morning America in Europe“, Do, 9.05 Uhr, 3 sat
„Good Morning, America“, krakeelt es am Morgen eines jeden Tages dem Amerikaner entgegen, damit er sich umgehend erhebe und gefälligst seinen Arbeitsplatz einnehme. Notorisch gutgelaunte Menschen scherzen und referieren knapp, was es Neues gibt in der Welt und wie das Wetter wäre, wenn es sich nur an die Vorhersagen hielte.
Wir kennen das, auch hierzulande gibt es ein Angebot für Frühaufseher. Vor dessen Einführung wurden die US-amerikanischen Vorbilder eingehend studiert, denn drüben existiert das Format bereits seit Januar 1952. „Today“ hieß die erste derartige Show, die auf eilige Morgenmenschen abzielte. Informationen wurden sorgsam portioniert und in einer Form dargeboten, die sich mit den in westlichen Zivilisationen üblichen morgendlichen Verrichtungen recht wohl vertrug. Zugleich begünstigte die Segmentierung die Einblendung von Werbeblöcken, weshalb man 1954 gleich noch „Tonight“ installierte, die Urform der heute allseits kopierten late-night- oder auch desk-and- sofa-show.
„Good Morning, America“ ist die nach Quoten führende Früh- Show und tourt derzeit durch Europa, der Neuen von der Alten Welt zu künden. Bei 3 sat hielt man es nun für ingeniös, die Sendung zu übernehmen. Natürlich nicht eins zu eins und in Originalfassung – dergleichen Experimente überlassen die Bildungsbeauftragten dann doch lieber den Privatunternehmen Premiere und RTL 2.
Statt dessen wurden zwei Stunden Bruttosendezeit von grober Hand auf sechzig Minuten gestaucht, das resultierende hektische Durcheinander zudem von wirrem Simultangestammel übertönt, so daß die Darbietung vollends jeden Sinn verlor.
Irgendwie ging's um Autoindustrie, Lederhosen und Bierbraukunst, in zwei Minuten durch den Holocaust und über freizügige Autobahnen pfeilgrad in den Biergarten – welch unerquicklicher Humbug, wieviel vergeudetes Geld... Harald Keller
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