piwik no script img

Kinkel ohne Unterleib, Rau braucht eine Krücke

■ Die FDP wird in Bremen und NRW aus den Parlamenten gejagt / König Rau verliert die absolute Mehrheit in Düsseldorf / Grüne legen mächtig zu / Bald Rot-Grün in beiden Ländern?

Berlin (taz) – Kohls Koalitionspartner FDP wird draußen im Lande für immer überflüssiger gehalten. Kinkels Partei flog in Nordrhein-Westfalen und in Bremen aus den Parlamenten. In beiden Ländern verlor die SPD und gewannen die Bündnisgrünen. In NRW litt SPD-König Rau unter der geringen Wahlbeteiligung von rund 65 Prozent: Gestern abend sah es ganz danach aus, daß die SPD ihre absolute Mehrheit verliert. Die Ergebnisse könnten rot-grüne Koalitionen in Bremen und Nordrhein-Westfalen bedeuten. Die NRW-Grünen wappnen sich: „Wir haben Betonklötze zu bearbeiten“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Michael Vesper über Koalitionsverhandlungen. Im einzelnen sahen die Hochrechnungen die SPD in NRW bei rund 46,5 Prozent (ein Verlust von über 3 Prozent), die CDU über 37 Prozent, die FDP bei 4 (ein Verlust von fast 2 Prozent) und die Grünen bei 10 Prozent (ein Zugewinn von über 4 Prozent).

In Bremen lagen SPD und CDU fast gleichauf: Wedemeiers Dauerregierungspartei verschliß sich auf rund 33 Prozent (über 5 Prozent weniger als bei der letzten Wahl), Nölles Daueropposition CDU kam auf dieselbe Prozentzahl – ein Zugewinn von 2,7 Prozent. Die von den Sozialdemokraten abgespaltene Gruppe „Arbeit für Bremen“ holte aus dem Wählerpotential der rechten Mitte auf Anhieb über 10 Prozent und schädigte damit sowohl die SPD als auch die FDP, die mit rund drei Prozent statt bisher 9,5 Prozent aus dem Parlament flog. Die Bündnisgrünen legten mit fast 13 Prozent noch einmal anderthalb Prozent zu. Die PDS kam trotz großangelegten Wahlkampfs nur auf 2,7 Prozent, weniger als beim letzten Mal. Die rechtsradikale DVU flog mit 2,5 Prozent (fast vier Prozent minus) raus.

In Bremen und in Nordrhein-Westfalen muß sich die SPD jetzt zwischen CDU und Bündnisgrünen als Koalitionspartner entscheiden. Rau und Wedemeier wollten zunächst „in Ruhe Konsequenzen überlegen“.

FDP-Generalsekretär Westerwelle will den Rückschlag in beiden Ländern „erst einmal verdauen“ und rät der Partei, mal „öfter aufzustehen als umzufallen“. Über personelle Konsequenzen wurde wieder geredet, über Kinkel wieder geschwiegen.

Johannes Rau hatte zwar prognostiziert: „Am Sonntag abend ist ein Pils fällig, kein grüner Apfel“ – er wird vielleicht in den grünen Apfel beißen müssen. CDU- Mann Norbert Blüm war's schon zufrieden, daß man Rau „von seinem hohen Roß“ geholt habe. Die Grünen hatten ihre Verhandlungskommission schon vor der Wahl benannt; daß sie je Arbeit kriegen sollte, daran glaubten die meisten wohl nicht. ci

Seite 2

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen