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Rot-Grün in Düsseldorf Modell für Bonn

■ Scharping ziert sich noch bei Rot-Grün / Lafontaine und Schröder verlangen Rot-Grün in Bremen und NRW / Fischer: SPD muß rot-grüne Option in Bonn eingehen / Rau schweigt über seine Zukunft

Bonn (taz) – Am Tag nach den Wahlerfolgen der Grünen in Nordrhein-Westfalen und Bremen zierte sich die SPD in Bonn gestern noch, ihr Verhältnis zu den Bündnisgrünen neu zu bestimmen. Obwohl in Düsseldorf kein Weg an einer rot- grünen Regierungsbildung vorbeiführt, hat Ministerpräsident Johannes Rau gestern keine Entscheidung über seine politische Zukunft getroffen. SPD-Chef Rudolf Scharping sah nach einer Präsidiumssitzung keine Notwendigkeit, den bundespolitischen Kurs seiner Partei auf Rot-Grün festzulegen. Allerdings hat eine mögliche Rot-Grün-Regierung in Düsseldorf für Scharping Modellcharakter: Falls es in Nordrhein-Westfalen zu einer rot-grünen Koalition komme, werde deren Arbeit über die Möglichkeit eines rot-grünen Reformbündnisses in Bonn entscheiden. Es sei der Wunsch des Präsidiums, daß Rau wieder als Ministerpräsident antrete. Raus Entscheidung werde aber „nicht so schnell passieren, wie das manche erwarten“. Eine Koalitionsaussage auf Bundesebene will die SPD nach den Worten Scharpings nicht vor 1997 treffen.

Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder und sein saarländischer Amtskollege Oskar Lafontaine hatten sich dagegen schon am Morgen für ein rot-grünes Bündnis in NRW und in Bremen ausgesprochen. Dies sei schließlich die Konstellation, die die Wähler wünschten, sagte Schröder. Lafontaine favorisierte ein Zusammengehen von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen nicht zuletzt im Hinblick auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Bisher mußte Bremen aufgrund der Ampelkoalition in der Länderkammer Rücksicht auf die FDP nehmen. Mit einer rot- grünen Koalition in Bremen werde die Rolle der Sozialdemokraten im Bundesrat weiter gestärkt, betonte er.

Noch bevor SPD-Chef Scharping vor die Presse trat, war in Düsseldorf ein gewisser Gesinnungswandel festzustellen. Der als Gegner einer rot-grünen Koalition bekannte Johannes Rau erklärte, daß er vor der Wahl ein Bündnis mit den Grünen nicht völlig ausgeschlossen habe.

Die Bündnisgrünen betonten gestern in Bonn, daß sie in beiden Bundesländern zu einer Koalition mit den Sozialdemokraten bereit seien. „Wir haben alle Wahlziele erreicht und stehen nun vor sehr schwierigen Verhandlungen mit der SPD“, sagte die Vorstandssprecherin der NRW-Grünen, Barbara Steffens. Ihre Partei sei bereit, sowohl mit Rau als auch mit einem möglichen Nachfolger zusammenzuarbeiten. Der ehemalige Bremer Senator Ralf Fücks forderte von den Sozialdemokraten „eine klare Richtungsentscheidung“, denn mit einer „Wackelpartei“ könne in Bremen angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse nicht regiert werden. Von einem „dramatischen Einschnitt in die Parteienlandschaft“ sprach der Sprecher der Bündnisgrünen im Bundesvorstand, Jürgen Trittin. Fraktionschef Joschka Fischer mahnte die Sozialdemokraten, jetzt „endlich auf eine klare rot-grüne Oppositionsstrategie zu gehen“.

Für Bundeskanzler Kohl hat das miserable Abschneiden der FDP bei den Wahlen keine Konsequenzen auf die Bonner Regierungspolitik. Er gehe davon aus, daß die FDP weiterhin ihren Beitrag zu einer erfolgreichen Koalition leisten werde, sagte er gestern. Er hat den Liberalen aber zu einer Neuorientierung in bestimmten Bereichen – etwa bei Fragen der inneren Sicherheit – geraten.

Deren Parteichef Klaus Kinkel will aus den Wahlniederlagen seiner Partei keine persönlichen Konsequenzen ziehen und weiter Vorsitzender bleiben. Mit einer Personaldiskussion komme die FDP nicht aus der Krise, sondern rutsche tiefer hinein, sagte Kinkel nach einer FDP-Präsidiumssitzung. Der Ausgang der Wahlen dürfe auch die Arbeit der Bonner Koalition nicht beeinflussen. Karin Nink

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