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BDI-Chef Henkel bricht Lanze für AKW

Auf der Jahrestagung Kerntechnik plädiert Henkel für neue AKW und gegen „Fortschrittsverhinderer – für den Export muß Reaktorprototyp „in Deutschland gebaut werden“  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Für die Kernenergie ist es in Deutschland sehr schwierig, bekennt der Präsident des Deutschen Atomforums, Claus Berke, offenherzig. Um so erfreuter ist er, daß sich mit Hans-Olaf Henkel seit langem wieder ein Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) bei der Jahrestagung Kerntechnik 1995 die Ehre gibt und eine Lanze für die Atomenergie schlägt. Vor über 1.000 Fachleuten aus Wirtschaft und Forschung wettert Henkel in Nürnberg gegen „Fortschrittsverhinderer“, die aus „ideologischen Gründen Kerntechnik, Gentechnik, Luft- und Raumfahrt und Informationstechnik behindern“. Sein Credo: „Ohne Kernenergie verpassen wir unsere Zukunft.“

Während vor der Meistersingerhalle AtomkraftgegnerInnen für den sofortigen Ausstieg demonstrieren, holt sich innen die angeschlagene Atomindustrie Streicheleinheiten von Politik und Wirtschaft. Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) unterstreicht das „klare Ja“ der bayerischen Staatsregierung zur Nutzung der Kernenergie. Gegen die „Mode, Angst zu haben, weil mit gezielten, verantwortungslosen Kampagnen Angst gemacht“ werde, müsse es eine „Wende hin zur Technikfreundlichkeit“ geben. Auch Staatssekretär Ulrich Klinkert (CDU) vom Bundesumweltministerium hält die Kernenergie für „unverzichtbar“, um die Klimaschutzziele zu erreichen.

BDI-Chef Henkel beklagt die Stillegung des Hochtemperaturreaktors in Hamm-Uentrop und das Aus für den schnellen Brüter in Kalkar. Milliarden Forschungsgelder seien „dank einer vorausschauenden Politik ausgegeben und dann die aufgebaute Technologieführerschaft einschließlich der geistigen und technischen Infrastruktur politischer Opportunität geopfert“ worden. Dies sei eine „gefährliche Entwicklung“, gelte es doch, die Weltmärkte zu sichern.

Um den Lebensstandard zu halten, müsse man „verlorenes Terrain im High-Tech-Bereich wiederaufholen“. Für die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit werde man „viele Arbeitsplätze abbauen müssen“, hohe Lohnzusatz-, Energie- und Kommunikationskosten müßten gesenkt werden, und es bedürfe einer „umfassenden Liberalisierung und Deregulierung überall in unserer Volkswirtschaft“. Der BDI- Chef will nicht nur die „Vorbehalte gegenüber bahnbrechenden Technologien ausräumen“, sondern fordert die „Beschleunigung und Verkürzung der deutschen Genehmigungsverfahren“.

„Ohne politische Behinderungen“ – und da sind sich Berke, Henkel, Wiesheu, Klinkert und Otto Majewski, Vorstandschef des Bayernwerks AG einig – müsse der „Neubau eines modernen Kernkraftwerkes“ in Deutschland möglich sein. Sie alle haben dabei die deutsch-französische Gemeinschaftsentwicklung des Druckwasserreaktors EPR im Blick. Die Auswirkungen selbst schwerster Unfälle würden auf die Anlage selbst begrenzt. Damit sich der EPR als Verkaufsschlager erweisen könne, müsse er aber nicht nur ungestört weiterentwickelt werden können, sondern es bedarf eines Prototyps. BDI-Chef Henkel: „Die Nagelprobe steht noch aus, nach Abschluß der Entwicklungsarbeiten müssen wir den Konsens haben, daß dieser Reaktortyp auch am Standort Deutschland gebaut werden darf.“

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