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Der Osten, die Haut & das Haar

■ Angstfreie Zusammenarbeit: Das Dresdner Hygiene-Museum erhielt die Sammlung Schwarzkopf

Kultursponsoring ist gut. Und löblich. Und nützlich. Von einer glücklichen Vermählung der meist finanzkräftigen Wirtschaft und der zunehmend etatgeschwächten Kultur profitieren nämlich beide. Deshalb ist auch gegen die Ausrichtung etwa einer René-Kollo- Gala durch den Hersteller von Lutschpastillen rein gar nichts einzuwenden. Sie ist vielmehr geradezu zwingend einleuchtend (gereizte Sängerkehlen! Publikumshusten!) und erfüllt in nahezu idealer Weise die jeweilige Bestimmung aller Beteiligten: der Tenor singt, die Pastille gelangt in aller Munde, und das Galapublikum genießt wieder einmal kolossal.

Für eine selbstbewußte und angstfreie Zusammenarbeit von Wirtschaft und Kultur plädiert auch Dr. Martin Roth, Direktor des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden, der vergangene Woche als erster Vertreter eines Hauses aus den Neuen Ländern zum Präsidenten des Deutschen Museumsbundes gewählt wurde. Berührungsängste hat er also keine – schließlich ist sein Haus selbst eine Gründung des Odolfabrikanten und Pioniers der aufgeklärten Hygiene, Karl August Lingner.

Das Museum nimmt den Menschen in all seinen Facetten ins Visier – in einer Informationsausstellung zum Thema Aids ebenso wie in Großprojekten zu „Darwin und Darwinismus“ oder einer kultur- und sozialhistorischen Betrachtung von Badezimmerritualen. Und so fügt sich die Dauerleihgabe einer Privatsammlung des Hamburger Shampoo-Herstellers Schwarzkopf natürlich hübsch ins Programm. In der neuen Ausstellung „Sehnsucht nach Vollkommenheit“ sind – jährlich wechselnd – etwa 400 der rund 2.000 Exponate zu sehen: Friseurutensilien und Schönheitsgerätschaften, aber auch Skulpturen, Grafiken und Gemälde, die die Schönheitsideale vom dritten Jahrtausend vor Christus bis heute belegen.

Vieles davon kennt man freilich schon: den Van de Veldeschen Frisierplatz, die unvermeidlichen Reisenecessaires, Kämme und Flakons. Aber es gibt eben auch dieses Dauerwellmonster – ein Objekt irgendwo zwischen Elektroschockgerät und Melkmaschine; und einen Kinderfriseurstuhl mit Schaukelpferdkopf – eine böse Täuschungsfalle für die Kleinen, die vorne noch spielen, während es hinten bereits bitterernst wird; und ein Gesichtsbügeleisen, einen elektrischer Kaltverdampfer, eine Haarwalze. Und dazwischen immer mal ein bißchen Schauma, Taft und Dané – ein „Duftdeodorant“, das sogar Marmorjünglinge vom Sockel haut.

Spätestens bei der von der Firma Schwarzkopf standesgerecht aufwendig ausgerichteten Eröffnung wurde die ungeheure Komplexität des Übereignungsereignisses deutlich: es ging nämlich um nichts weniger als den Osten, die Haut und das Haar. Diese drei Aspekte wollen erst mal begriffen und – zusammengedacht werden. Herr Schwarzkopf (korrekter Unternehmerhaarschnitt, wahrscheinlich getönt) machte den Anfang, indem er die Geschichte der Erfindung des alkalifreien Haarwaschmittels durch seine Vorfahren angemessen hanseatisch und nahezu fehlerfrei vom Blatt ablas. Der Ost-Aspekt erwies sich als vergleichsweise einfach: Hier steht immerhin das Museum, und eine Schenkung von Hamburg nach Dresden ist eine schöne städtepartnerliche Geste und Ostförderung zugleich. Die thematische Verklammerung mit „Haut und Haar“ leistete ein eigens arrangiertes Podiumsgespräch mit MDR-Moderator (Schüttelfrisur). Stargast Kati Witt (Langhaar, nicht fliegend, offenbar splißfrei), Protagonistin der doch etwas beunruhigenden Marmor-Werbebotschaft, konnte dort gerade noch erklären, Schönheitspflege müsse „ratzbatz“ gehen und eine neue Frisur verändere die Stimme (sic!), bevor sie einen Lachkrampf bekam. Den hatte das „Gesicht des Ostens“, Christine Beutmann (nackenlange Gelfrisur, Haarzustand undeutbar), schon beim mittäglichen Fototermin hinter sich gebracht, als sie sich zwischen die Perückenköpfe des 18. Jahrhunderts einreihen mußte.

Überraschenderweise erwies sich gerade die Verknüpfung des eigentlich geschmeidigen Begriffspaares „Haut und Haar“ als äußerst widerspenstig, und so mußten denn auch die weniger prominenten EröffnungsrednerInnen um Contenance ringen. Denn ihre vorherrschenden Betrachtungen zum Allgemeinen der Schönheit drohten permanent, die besondere Schönheit des Haares sponsorenwidrig doch arg ins Hintertreffen geraten zu lassen. Weswegen die ansonsten eloquente Trendforscherin aus Paris (wohlgelegtes Langhaar) „Mäkel“ und „Makel“ nicht mehr auseinanderbekam und die Haare häufig an selbigen herbeigezerrt werden mußten. Allein der Präsident des Zentralverbandes des deutschen Friseurhandwerks (Toupet?) behielt den Überblick: „Im Rahmen des Narzißmus“, befand er souverän, „spielt das Friseurerlebnis für die Pflege und Gesunderhaltung von Haar, Haut und Körper eine wichtige Rolle.“

Nach diesem beispielhaften, weil angstfreien Vermählungsspektakel zwischen Kultur und Wirtschaft ist nun alles auf dem rechten Fleck, hat sich die jeweilige Bestimmung aller Beteiligten in nahezu idealer Weise erfüllt: Herr Schwarzkopf ist wieder in Hamburg, Taft festigt mehr denn je, und das Hygiene-Museum verfügt über einen prächtigen und nützlichen Fundus für seine eigenen Ausstellungsprojekte. Barbara Häusler

„Sehnsucht nach Vollkommenheit“. Deutsches Hygiene-Museum, Dresden

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