: Räder rollen auch nach rechts
■ Daimler-Benz wird mit seinen Kontakten zum rechten Rand konfrontiert
Stuttgart (taz) – Auf seiner 99. ordentlichen Hauptversammlung morgen muß sich der Vorstand des größten deutschen Industriekonzerns in Stuttgart einer unangenehmen Debatte stellen: „Die Daimler-Benz AG weist eine erschreckende Nähe zu rechtsstehenden Organisationen und Parteien auf.“ So der Vorwurf des Dachverbands der Kritischen AktionärInnen Daimler-Benz (KAD).
Bei ihren Vorwürfen, der Konzern stelle die Räder nach rechts, verweisen die Konzernkritiker längst nicht nur auf die traurige Tradition des schwäbischen Auto- und Rüstungskonzerns: Schon dem Mercedes-Enthusiasten Adolf Hitler hatte der Konzern die Waffen geschmiedet. 15 lange Jahre hatte der Dasa-Vorstand Karl Dersch in seinem Garten die von Neonazis häufig benutzte schwarzweißrote Kriegsflagge des Norddeutschen Bundes gehißt, auch eine geplante Gedenkveranstaltung zur Feier von Hitlers „Wunderwaffe“ V2 mit organisiert. Selbst nach dem mit vielen Protesten erzwungenen Rücktritt konnte Dersch weiter über sein Büro bei der Dasa und einen Dienst-Mercedes samt Fahrer verfügen.
Der Vorwurf an Daimler zur Hauptversammlung lautet, noch heute „extrem rechtsstehende Mitarbeiter – selbst in höhergestellten Positionen“ zu beschäftigen. Bestes Beispiel ist der 1952 in Notzingen geborene Ulrich Deuschle. Als Vorsitzender des Verkehrsausschusses im baden-württembergischen Landtag trifft der geschäftsführende Fraktionsvorsitzende der „Republikaner“ konzernkonforme Entscheidungen. Bei Mercedes-Benz ist „Deutschle“, wie er dort genannt wird, zum Fachreferenten im Geschäftsbereich Nutzfahrzeuge aufgestiegen.
1996 wird seine Freistellung „wegen Mandatsübernahme“ enden. Der Multifunktionär der Republikaner, Deuschle, wird dann wieder für den Bereich „Hinterachse“ zuständig. Dabei hatte Deuschles Rechtsaußenpartei im Landtagswahlkampf ungestraft für „republikanische Grundsätze“ geworben: „Millionen von Ausländern überfluten unser jetzt schon zu dicht besiedeltes Land. Deutschland ist aber kein Einwanderungsland!“
Auch ein anderer Mercedes- Mann sagt seine Meinung unverblümt: Da die Aussagen der „Republikaner“ und der baden-württembergischen Christdemokraten zum Asylthema ganz ähnlich seien, sei eine schwarz-braune Koalition „vom Wähler gewollt“. In der Medienwelt des rechten Rands spielt „Mercedes- Ruth“ eine Schlüsselrolle: Bei der Jungen Freiheit, dem Blatt der Neuen Rechten, ist „Ulrich Ruth, Ingenieur, Stuttgart“ als Kommanditist im Potsdamer Handelsregister eingetragen.
Für den Mercedes-Betriebsrat, der nach seinem CDU-Austritt zuerst bei der NPD und dann als Wahlkämpfer für die „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ eine politische Heimat gefunden hat, stehen im Handelsregister 10.000 Mark zu Buche. Ulrich Ruth sieht sich allerdings aufgrund seiner offen „ausländerfeindlichen Gesinnung in einem multikulturellen Betrieb wie Mercedes“, so IG-Metall-Betriebsrat Gerd Rathgeb, auch massiver Kritik ausgesetzt.
Schlimmer noch als die Rechten in den eigenen Reihen wiegt der Tatbestand, daß Daimler-Benz das Studienzentrum Weikersheim e.V. (SZW) subventioniert. Das 1979 vom früheren Nazi-Marinerichter Dr. Hans Karl Filbinger gegründete Studienzentrum hat sich längst zum Treffpunkt christdemokratischer Rechtsaußen sowie von Mitgliedern rechtsradikaler und rechtsextremistischer Organisationen gemausert. Im April diesen Jahres geriet das SZW erneut bundesweit in die Schlagzeilen, als Neonazis im rechtsextremen Mailbox-System „Thule-Netz“ zur Teilnahme am Weikersheimer Kongreß Anfang Mai 1995 aufgerufen hatten.
Das Studienzentrum, durch die jüngsten Ereignisse in einen verstärkten Legitimationsnotstand geraten, wird, so der Bonner blick nach rechts-Autor Sönke Braasch, durch die finanziellen Zuwendungen des Konzerns am Leben gehalten. So nutzt es wenig, wenn der Daimler-Vorstand Ausländerfreundlichkeit propagiert und statt dessen das SZW mit rund 50.000 Mark pro Jahr sponsert.
Im September 1994 trat auch Konzernsprecher Matthias Kleinert im Studienzentrum auf. Zum Thema „Brückenschlag zwischen West- und Osteuropa“ trafen sich die Vordenker des rechten Randes im Weikersheimer „Gewehrhaus“: Professor Dr. Klaus Hornung, Professor Dr. Lothar Bossle und Hans Eschbach – Autoren in den ultrarechten Blättern Junge Freiheit und Criticon – sowie Professor Dr. Hans-Helmut Knütter, dessen Buch „Die Faschismuskeule. Das letzte Aufgebot der deutschen Linken“ von deutschen Rechtsextremisten in höchsten Tönen gelobt wird. Daimler-Sprecher Matthias Kleinert referierte im SZW dennoch über „Die geopolitische Mittellage Deutschlands in Politik, Wirtschaft und Geist“. Dabei ist Kleinerts Aversion gegen „alles Linke einschließlich des ideologischen Tiefsinns“ weithin bekannt.
Auf Anfrage verkündete der Konzern, „die Veranstaltungen und Aktivitäten des SZW entsprechend aufmerksam beobachten“ zu wollen. Die Daimler-Kritiker des KAD bringen auf der morgigen Hauptversammlung den Antrag ein, die baden-württembergischen Arbeitskreise „Miteinander leben – gegen Fremdenhaß und Gewalt“ und „AK Asyl“ mit 50.000 Mark zu finanzieren und zugleich das Weikersheim-Sponsoring einzustellen.
Sollte der Antrag abgelehnt werden, drohen die Kritischen AktionärInnen mit einer bundesweiten Aufklärungskampagne über den Konzern und seine Rechts-Connection. Das dürfte sich nicht zuletzt auf die Verkaufszahlen auswirken. „Shouldn't a real Nazi drive a Mercedes or at least a Volkswagen?“ hatte Rob Krott im Oktober 1993 im Söldnermagazin Soldier of Fortune gefragt. Die Gegenfrage könnte lauten: Weshalb sollte ein demokratisch denkender Autokunde einen Mercedes kaufen? Jürgen Grässlin
Der Beitrag basiert auf Analysen des im Mai 1995 veröffentlichten Buchs „Daimler-Benz. Der Konzern und seine Republik“ von Jürgen Grässlin, Sprecher des Dachverbandes der Kritischen AktionärInnen Daimler-Benz
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