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Duschmusik live von den Kellermanns

■ Radio Bremen funkte zum 50. mit Willem Breuker aus allen Kanälen „Radiophone Stadtklänge“: Glückwunsch

Stellen Sie sich vor, Sie tasten sich frühmorgens schlaftrunken ins Bad, stellen sich unter die Dusche, das Wasser rauscht. Sie fangen an, mit noch belegter Stimme eine Melodie vor sich hinzusummen, plötzlich beginnt ein Trompeter direkt neben Ihnen im Bad, Ihre Alltagsgeräusche musikalisch zu begleiten und zu kommentieren und das alles – rauschende Dusche, Gesumme, Trompete dazu – wird auch noch live im Radio übertragen.

Solche Töne gingen am Freitag als „Radiophone Stadtklänge“ über den Äther. Radio Bremen feierte seinen 50. Geburtstag. Einen Tag lang wurden abwechselnd über die Wellen Radio Bremen „Eins bis Vier“ von 7 Uhr morgens bis 8 Uhr abends Alltagsgeräusche und -situationen unserer Stadt musikalisch eingefangen, der Sender live dabei mit Postleitung und Ü-Wagen.

„Radiophone Stadtklänge“ nannte sich das vom holländischen Jazzer, Komponisten und Saxophonisten Willem Breuker inszenierte Klangereignis. MusikerInnen der Amsterdamer Jazzformation „Willem Breuker Kollektief“, der Rotterdamer Gruppe „Eigen Wijzen“ und der Bremer Bläsertruppe „Lauter Blech“ begleiteten die Mitglieder der Bremer WG-Familie Kellermann. Deren Tagesablauf wurde musikalisch aufgegriffen, untermalt, kommentiert, und das alles unter Einbeziehung ortstypischer Geräusche.

Da gab es also nach „Duschmusik“ und „Frühstücksmusik“ die „Staumusik“ vom Osterdeich, initiiert vom niederländischen Entertainer Toby Rix auf dem „Tuterix“: diverse aufeinander abgestimmte Autohupen plus Schreckschußpistole und Polizeisirene mit Liveübertragung in den Verkehrsnachrichten. Conjunto-Musik von Eigen Wijzen verschönte Tablettgeklapper und Gespräche über Vegetarisches und Fleischliches aus der HfT-Mensa (ein WG-Mitglied im Dialog mit RB 2-Moderator Otmar Willi Weber). Zu den Schlürfgeräuschen des Speichelsaugers, jiependen Bohrertönen sowie situationsadäquatem Stöhnen – „Zahnarztmusik“ – steuerten Willem Breuker und ein Kollege flatternde Klarinettenklänge und Flötentöne bei.

Man war viel unterwegs in der Stadt. Ob viele BremerInnen etwas von dieser witzigen Tournee mitbekommen haben, blieb allerdings ungeklärt. „Nee, hab' ich nix von gemerkt, klingt aber interessant“, war jedenfalls die häufigste Antwort in einer kleinen, nichtrepräsentativen Umfrage der taz.

Das große Finale der „Radiophonen Stadtklänge“ auf dem Bremer Marktplatz verfolgten dann aber einige hundert BremerInnen direkt vor Ort. Dort trafen ab 18 Uhr so nach und nach die Bigband Walle, das Moderne Orchester Syke, Eigen Wijzen, die Sambagruppe Confusao, das Landesblasorchester des Bremer Turnverbandes, Lauter Blech, der Chor OsterChorSteinway, ein Waldhorn-Ensemble und das Willem Breuker Kollektief ein. Etwa eine Stunde lang boten die Ensembles Stücke aus ihrem Programm: moderne Klassik, Swing und Fusion, Märsche, Sambarhythmen. Sie spielten mal nacheinander, mal miteinander, manchmal auch neben- und gegeneinander. Je nachdem, wo man sich auf dem Marktplatz gerade befand, ergaben sich ganz unterschiedliche Klangeindrücke.

„Das finde ich super, in jeder Ecke kann man was anderes hören“, reagierte ein jugendlicher Marktbesucher angetan, während ein älterer Anzugträger eher konsterniert mäkelte. Doch die positiven Reaktionen überwogen. , und zwar quer durch alle Altersstufen.

Auch die von Willem Breuker eigens komponierte „Radio Bremen Hymne“ wurde begeistert aufgenommen. Die Komposition spielte mit den unterschiedlichen Stilistiken und Klangfarben der beteiligten Gruppen, konfrontierte sie miteinander, ahmte das schnelle Wechseln von Radiofrequenzen bei der Sendersuche nach. Die Vielgesichtigkeit von Radio Bremen wurde in dieser Hymne präsentiert, die Gemeinsamkeit in der Vielfalt musikalisch verdeutlicht. Die ZuhörerInnen gaben sich fasziniert, auch die beteiligten MusikerInnen hatten offenbar ihren Spaß. Und Radio Bremen hat mal wieder Improvisationstalent bewiesen. Glückwunsch. Arnaud

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