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Die Schmerzen des Mauerphantoms lindern

■ Symposion empfiehlt Dokumentation des Grenzverlaufs / Mauer kennzeichnen

Fünf Jahre nach dem Fall der Mauer sind von ihrem das Stadtbild prägenden Verlauf kaum mehr als Reste geblieben. Die paar Meter, die Mauerspechte und Räumfahrzeuge gelassen haben, finden sich noch entlang der Niederkirchner Straße, an der Bernauer Straße oder am Berlin-Spandauer Kanal. „Die wenigen verbliebenen Reste“, sagte Kultursenator Ulrich Roloff-Momin (SPD- nah) gestern anläßlich des Symposions „Hearing zur Markierung des Mauerverlaufs“ in der Akademie der Künste, machten es heute „unmöglich“, den Grenzverlauf in die Erinnerung zu rufen. Ebenso ließen die Spuren nicht mehr erkennen, was die Mauer für die Menschen bedeutete. Es sei darum wichtig, die typischen Berliner „Mauer-Phantomschmerzen“ durch eine Kennzeichnung oder Markierung zu lindern.

Eine bloße Markierung der rund 160 Kilometer langen Grenze über Straßen, Plätze und Wege reicht zur richtigen Rückbesinnung wohl nicht aus, lautete der Tenor des vom Senat, von der Akademie der Künste und vom Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart veranstalteten Hearings. Die beiden 1994 vom Abgeordnetenhaus in Auftrag gegebenen Probemarkierungen von Angela Bohnen und Gerwin Zohlen, die jeweils mit einem Kupferband und einem farbigen Betonstreifen die Grenzlinie vor dem Preußischen Landtag markierten, „zeichnen den Mauerverlauf nur nach, mehr nicht“, kritisierte Martin Düspohl, Leiter des Kreuzberg- Museums. Auf diese Art werde keine Geschichte vermittelt. Vielmehr komme es darauf an, meinte Düspohl, sowohl den Verlauf als auch die Orte an der Mauer zu kommentieren.

Die Markierungslinie könnte die Funktion eines Verbindungsbandes haben zwischen den noch vorhandenen rund 20 „Mauerorten“, sagte der Historiker Andreas Hallen. Checkpoint Charlie, Fechter-Kreuz, Grenztruppen-Denkmal, Schlesischer Busch oder das Mauermuseum seien authentische Orte, die es als Dokumentationszentren zu verknüpfen gelte.

Wichtig sei, betonten der Architekturkritiker Wolfgang Kil und der Kunsthistoriker Jochen Spielmann, auch die „Erfahrungsdifferenzen von Ost- und Westberlinern“ zu berücksichtigen und unterschiedliche Formen und Entwürfe bei Mauer- und Ortsmarkierung zuzulassen.

Albert Eckert, kulturpolitischer Sprecher der Bündnisgrünen, sprach sich für eine baldige Kennzeichnung der Grenzlinie aus, die „privat und öffentlich“ finanziert werden sollte. Das Symposion beschloß, Empfehlungen für die Mauerkennzeichnung und eine Dokumentation für den Senat zu formulieren. Am kommenden Montag will die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag zur „dauerhaften Markierung“ in den Kulturausschuß einbringen. Rolf Lautenschläger

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