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■ Reaktionen auf Frankreichs AtompolitikBonn muß Farbe bekennen

Mit dem Vorwurf napoleonischer Arroganz reagierte die Regierung in Neuseeland auf die Ankündiung von Frankreichs Präsident Jacques Chirac, die Atomwaffentests im Südpazifik wiederaufzunehmen. Ähnlich deutlich äußerte sich die australische Regierung und verkündete das Einfrieren der verteidigungspolitischen Zusammenarbeit mit Paris für die Dauer der Testversuche. Kritik, Empörung, Unverständnis oder doch zumindest „tiefes Bedauern“ kam auch von den Regierungen in Moskau, Tokio, Washington und Oslo, von Frankreichs EU-Partnern Belgien und Dänemark und natürlich von den besonders betroffenen Inselstaaten um das Testgebiet im Südpazifik. Auch in Frankreich selbst stieß Chiracs Ankündigung auf scharfe Proteste. Nur bei den engsten Freunden der Pariser Regierung diesseits des Rheins herrscht bisher Zurückhaltung. Die gestrige offizielle Erklärung der Bundesregierung könnte in Paris geradezu als Ermunterung zu weiteren Tests verstanden werden. Dabei wäre ein klares und entschiedenes Wort von Helmut Kohl und Klaus Kinkel notwendiger und angebrachter denn je. Und darüber hinaus energischer diplomatischer Druck auf Paris — möglichst im Verbund mit anderen EU-Staaten — mit dem Ziel, den Verbündeten im Elysee-Palast von seinem Vorhaben abzubringen. Denn mit der Wiederaufnahme französischer Atomwaffentests würde auch die Abrüstungs-und Rüstungskontrollpolitik der Bonner Regierung beschädigt. Als Nicht-Atomwaffenstaat, der erklärtermaßen auch keinen Besitz dieser Massenvernichtungsmittel anstrebt, hat sich Deutschland gerade erst auf der New Yorker Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrages engagiert und sich mit weit mehr Glaubwürdigkeit als die fünf offiziellen Atommächte für die unbegrenzte Verlängerung dieses Abkommens stark gemacht. Gerade auch mit dem Versprechen eines baldigen vollständigen Atomwaffenteststopps, für den sich die Bonner Diplomaten bei der Genfer UNO-Abrüstungskonferenz seit langer Zeit engagieren. Die Strategie war erfolgreich. Umgekehrt haben jedoch auch viele Länder des Südens darauf vertraut, daß sich Deutschland ebenfalls mit Erfolg bei seinen wichtigen westlichen Verbündeten nicht nur für ein baldiges Abkommen über einen vollständigen Atomwaffenteststopp einsetzt, sondern auch für den raschen Abbau der bestehenden Arsenale und den Verzicht auf die Entwicklung neuer Atomwaffengenerationen. Die Ankündigung des französischen Präsidenten ist daher in den Augen zahlreicher UNO-Staaten auch eine Niederlage Deutschlands. Sollte die Ankündigung tatsächlich umgesetzt werden, und sollte als Folge davon gar US-Präsident Clinton eine Abkehr vom Ziel eines vollständigen Atomwaffenteststopps zugunsten eines begrenzten Verbots verkünden, würde auch das internationale Vertrauen in die erklärten rüstungs- und abrüstungspolitischen Ziele Deutschlands untergraben. Andreas Zumach

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