: „Eine Beratung, die indoktriniert, ist keine Beratung“
■ Inge Wettig-Danielmeier (SPD) zum Abtreibungsrecht
taz: Am Montag haben CDU/ CSU, SPD und FDP angekündigt, daß ein gemeinsamer Kompromiß bei der Neuregelung des Abtreibungsrechts gefunden worden ist. Dort heißt es nun, die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens und soll die Frau zur Fortsetzung ihrer Schwangerschaft ermutigen. Die SPD wollte ursprünglich die Eigenverantwortung der Frau viel stärker betonen.
Inge Wettig-Danielmeier: Hier haben wir nachgegeben. Alle Fragen, die die Beratungspraxis betreffen, sind aber im zusätzlichen Beratungsgesetz geregelt. Und dort lautet schon der erste Satz eindeutig: „Die Beratung ist ergebnisoffen zu führen. Sie geht von der Verantwortung der Frau aus.“
Im Paragraphen 219 wird aber auch das Recht des Ungeborenen auf ein eigenes Leben betont.
Hier wurde wortwörtlich das Karlsruher Urteil übernommen. Das ist für uns die komplizierteste Passage. Die praktischen Dinge sind zwar alle so geregelt, daß wir sie gut tragen können, die Ideologie hingegen ist stark vom BVerfG-Urteil geprägt.
Was heißt das in Zukunft für die Beratungsstellen?
Für die Praxis der Beratungsstellen ist das Beratungsgesetz zuständig. Natürlich müssen sie die Regelungen des 219 im Kopf haben. Aber im Beratungsgesetz ist festgelegt: Eine Beratung, die indoktriniert, ist keine Beratung.
Neben der Beratungsregelung war vor allem die Strafbarkeit des familiären Umfelds strittig. Nun wird ein Passus ins Strafgesetzbuch eingefügt, der die Verweigerung von Unterhaltszahlungen mit bis zu fünf Jahren Haft bedroht. Und auch der Nötigungsparagraph wird entsprechend erweitert.
Dies ist ein besonders schwieriger Fall, weil die Karlsruher Richter etwas gefordert haben, was nach Meinung der meisten Experten nicht sinnvoll ist. Natürlich wurde die Nötigung zur Abtreibung schon bisher bestraft. Hinzu kommt nun die Strafe bei Verletzung der Unterhaltspflicht – dieser Passus ist erneut ein Zugeständnis an das Karlsruher Urteil. Andererseits geht es gerade bei der Unterhaltspflichtverletzung, die in Deutschland schon ein salonfähiges Kavaliersdelikt geworden ist, auch darum, den Männern zu zeigen, daß es so nicht geht.
Schon morgen soll das Gesetz vom Bundestag verabschiedet werden. Das ist genau einen Tag, bevor das Parlament in die Sommerpause geht.
(lacht) Ja, das haben wir beim 218 fast immer so hingekriegt. Interview: Karin Flothmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen