Die Dinos sind in der Stadt

■ In Bremen ist der Hund verfroren: Auf den Saurierfährten in die Kaufhäuser

Der Apathosaurus ist nicht für den Straßenverkehr geschaffen. Mit 21 Metern Länge ist er zu ausladend für jeden Trailer. Doch das, zeigte der gestrige Feldversuch, ist kein Problem für die Dinosaurier GmbH & Co. Dem Riesentrum aus der Kreidezeit wurde kurzerhand der Schwanz abmontiert und eine rote Fahne an den Stumpf gehängt. Polizeieskortiert und vorschriftsmäßig beflaggt wurde das Urviech zum Hanseatenhof verfrachtet.

Zusammen mit Big Apatho kamen 19 weitere Dinos, um 12 Tage lang zwischen Wall und Martinistraße die Laufkundschaft mit dem Reiz des Grusels zu hypnotisieren. „Schreckensechsen“ werden sie genannt, dabei sind die meisten nur harmlose Kühe des Erdmittelalters, etwas groß, aber doch putzig. Verfressen allemal, ein einziger Apatho verschlang vermutlich täglich 200 Kilo Grünfutter. Kein Wunder, daß die Dinos ausgestorben sind.

Sind sie nicht, widerspricht Professor Detlev Thies, wissenschaftlicher Leiter im Dinosaurierpark in Münchehagen bei Loccum bei Nienburg bei Bremen. Die heutigen Vögel, sagt der Experte, seien Nachfahren der Schreckensechsen. Jeder taubenverschissene Marktplatz ist demzufolge ein Jurassic Park, in jedem tirillierenden „Hansi“ steckt eine Echse.

Vor 130 Millionen Jahren oder mehr stapften inkarnierte Hansis und Peterles durch Münchehagen bei Loccum bei Nienburg bei Bremen und hinterließen dort Trittsiegel, die 1980 entdeckt wurden. 250 riesige Fußabdrücke wurden in Münchehagen bei Loccum bei Nienburg bei Bremen überdacht und etwa 100 Polyester-Dinos in Originalgröße an einem Lehrpfad versteckt. 1992 wurde mit Hilfe der Sparkassenstiftung und des „Förderkreises Saurierfährten Münchehagen“ Deutschlands größtes Dinofreilichtmuseum eröffnet.

Eines Sonntags unternahm Ralf Görland, Geschäftsführer des Hauses Brinkmann, mit seiner Familie dorthin einen Ausflug. Er war so begeistert, daß er wenig später die City-Initiative überredete, die 20 Reise-Dinos aus Münchehagen in die Manege der Bremer Kaufzone zu domptieren. Da äsen sie nun, hervorgekommen aus Trias, Jura und Kreide, zwischen Wühltischen und Sonderangeboten. Kinder werden quängeln und Mütter zum Dino-Backen zerren, während Papa das DINO-Preisrätsel ausfüllt oder echte Dino-Eier aus China bestaunt. Das bildet.

Denn wer weiß in Deutschland schon, daß die Wissenschaft theoretisch Dinos klonen könnte? In China fand man ein Ei samt Embryo, aus dessen Resten DNS-Struktur isoliert wurde. Dieses in einem Hebammenkoffer transportierte Ei landete schließlich zum Zwecke der Ausstellung im Besitz des Dinoparks Münchhagen bei Bremen. Hier würde Professor Thies das Gen-Werk gern fortsetzen, doch es fehlt an Geld. Anders als in den USA sitzt die Saurierforschung in Deutschland völlig auf dem Trockenen.

Wer weiß, vielleicht ändert sich auch das, hofft der Professor. Es könnte ja sein, daß in Bremen, wo einst Dinos einherschwommen, das Faszinosum Saurier so nachdrückliche Trittsiegel hinterläßt, daß sich Sponsoren für weitere Forschungen finden. Die Hoffnungen des Professors scheinen berechtigt, was sind schon eine Millionen Jahre für einen Paläontologen? Das Marketing der Bremer City soll sich früher ändern. Die Dinos sind da nur der Anfang, sagt Ralf Görland: „In Bremen ist doch der Hund verfroren. Aber es wird noch einiges kommen.“ dah