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Biedenkopf deckt seinen Getreuen Eggert

■ Ministerpräsident wegen Behandlung der Vorwürfe unter Beschuß

Dresden (taz) – Kurt Biedenkopf besteht darauf, die Vorwürfe gegen Heinz Eggert nach Art seines Hauses zu behandeln. Der sächsische Ministerpräsident lehnt es ab, die Prüfung einem Staatsanwalt zu übertragen, obwohl sich die Belege für das Fehlverhalten des Innenministers mittlerweile häufen. Die Staatsregierung, rügt Sachsens oberster Datenschützer Thomas Giesen, ziehe das Verfahren „in ein politisches Hinterzimmer“. Die Untersuchung werde „mit verfahrensrechtlich ungesicherten und unverbindlichen Befragungen“ geführt. Nur die Prüfung der Sache durch die Staatsanwaltschaft könnte „allen Beteiligten die Verfahrensrechte garantieren und ihnen gleichzeitig gerichtlichen Schutz sichern.“ Giesen, kontert Biedenkopf, habe „nicht das Recht, so etwas zu verlangen.“

Irritiert von der offenkundig verschleppten Aufklärung und den in der Öffentlichkeit kursierenden Gerüchten und Namen hatten sich zwei ehemalige Referenten des Ministers als Opfer sexueller Belästigungen geoutet und ihre Vorwürfe konkretisiert.

„Ich habe von einer Überprüfung andere Vorstellungen“, resümierte Oliver Lang, von 1992 bis 1994 persönlicher Referent Eggerts, in einem Interview der Wochenpost das bisherige Verfahren. „Mit mir ist zum Beispiel gar nicht gesprochen worden.“ Lang verwahrte sich gegen den Verdacht, er betreibe mit ehemaligen Kollegen ein Komplott: „Wenn ein Chef seinen Angestellten drängt, die Nacht bei ihm im Bett zu verbringen, würde ich das schon für eine schwere sexuelle Belästigung halten.“ Eggert habe „seine offensichtlich vorhandenen Neigungen nicht im Griff.“

Ähnlich äußerte sich Eggerts einstiger Redenschreiber Uwe Seifert, der das Ministerium zum Monatsende auf eigenen Wunsch verlassen wird. Regierungssprecher Michael Sagurna ließ dazu gestern lapidar ausrichten, es bleibe alles beim alten: Den „Fall Eggert“ löse der pensionierte Vizepräsident des Bundesarbeitsgerichtes, Dirk Neumann. Biedenkopf hat den Richter im Ruhestand um diesen Dienst gebeten. Die nach Eggerts vorerst letztem Auftritt angekündigte Untersuchungskommission erweist sich als Einmannunternehmen mit beschränkter Haftung.

Dabei wäre mittlerweile auch zu untersuchen, warum Biedenkopf neun Wochen lang vom Konflikt im Hause Eggert wußte, aber erst handelte, als sich das „zerschlagene Porzellan“ (Sagurna) nicht mehr unter den Kanzleiteppich kehren ließ. Wohl wissend, daß diese Geschichte den einstigen CDU-Hoffnungsträger unabhängig von ihrem Ausgang zu Fall bringen kann, besteht Biedenkopf unter Hinweis auf seine „Personalhoheit“ auf einer Ermittlungsprozedur, die sich jeder parlamentarischen und rechtsstaatlichen Kontrolle entzieht. Der Sprecher von Bündnis 90/ Die Grünen in Sachsen, Karl-Heinz Gerstenberg, wirft Biedenkopf vor, die politische Kultur im Freistaat „durch seine neun Wochen währende Untätigkeit nachhaltig geschädigt“ zu haben.

Die beiden ehemaligen Referenten fordern Eggert auf, Strafanzeige wegen Verleumdung zu stellen, „damit die Klärung dieser Vorwürfe zügiger als bisher voranschreitet“. Einer Meldung der Leipziger Volkszeitung zufolge hat der Bezichtigte, derzeit mit seiner Familie auf Urlaubstrip in der Türkei, genau dies erwogen. So darf vielleicht doch noch der Staatsanwalt in der sehr unappetitlichen sächsischen Gerüchteküche ein Fensterchen öffnen. Sachsens SPD-Landtagsfraktion hat unterdessen den Rücktritt von Eggert gefordert. „Unabhängig von der strafrechtlichen Schuldfrage sollte der Innenminister im Interesse des Landes schnellstens sein Amt zur Verfügung stellen“, sagte Fraktionschef Karl-Heinz Kunckel.

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