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Mobile Möbel für Großstadtnomaden

Wer häufig umzieht, sollte beim Möbelkauf auf Materialien und Konstruktion achten / Umzugskarton als Regalelement erspart lästiges Ein- und Ausräumen / Holz ist schön, hat aber Tücken  ■ Von Matthias Fink

Umzüge gibt es in Berlin häufig, das ist auf den Straßen und in der Nachbarschaft leicht zu sehen. Ob dies den Wohnungseinrichtungen gut bekommt, ist nicht so gut zu sehen. Das Problem ruinierter Schränke und Betten läßt sich indes oft vermindern, indem man schon beim Kauf an einen möglichen Umzug denkt. Ob ein zusammenhängender Schrank oder ein schmales Bündel mit Brettern transportiert wird, macht beim Transport einen erheblichen Unterschied und kann darüber hinaus noch weitere Vorteile bieten. Aus flexiblen Bauteilen bestehend, lassen sich die Gerätschaften beim Wiederaufbau anders zusammensetzen, wenn sie sonst nicht in das neue Zimmer passen – oder wenn sie einfach nur langweilig geworden sind.

Robustester Baustoff für variabel gestaltbare Möbel ist Metall. Einem verzinkten Regal ist kaum anzusehen, wie oft die Fächer schon auf unterschiedlichen Höhen eingesetzt waren. Holz hingegen kann doch schon einmal splittern oder wird durch Druckstellen oder Grabbelflecken im Bereich der Schrauben dauerhaft verschandelt. Nicht nur bei Regalen ist die veränderbare Höheneinteilung nützlich. Der bekannte Architekt Egon Eiermann entwarf neben gelochten Fassaden (Horten- Kaufhäuser, Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche) auch einen Glastisch, dessen Metallbeine Lochreihen aufweisen. Je nachdem, welche Ebene benutzt wird, liegt die Tischplatte auf einer Höhe zwischen 68 und 86 Zentimetern. Die Platte ist zugleich das größte Einzelteil des Möbelstücks, das bei „Schneller Wohnen Magazin“ in der Kochstraße im Angebot ist. Die verschraubten Stangen lassen sich alle auseinandernehmen.

Noch mehr Möglichkeiten ergeben sich bei einem System, dessen Einzelteile für unterschiedliche Möbelstücke verwendbar sind. Dieselben „Ständerprofile“ des Speed-Rack-Systems lassen sich als Tischbeine, aber auch als Regalpfosten verwenden, so daß auch ungewöhnliche Höhen und zusammengebaute Möbelgruppen leicht zu verwirklichen sind.

Da Metallmöbel nach Meinung vieler eher eine Büroatmosphäre vermitteln, gibt es auch hölzernes Mobiliar in variabler Bauweise. Die technischen Nachteile des Holzes lassen sich durchaus in den Griff bekommen. So empfiehlt die Verbraucherzentrale zur Beachtung: „Schraubverbindungen bei Montagemöbeln sollten eingesetzte Metallgewinde haben, da die Schraublöcher sonst nach mehrmaliger Montage ausgeweitet werden und das Möbel instabil ist.“

Schon in den fünfziger Jahren wurde in Belgien das Rhom-Box- System entwickelt, das seit rund zehn Jahren auch in Berlin erhältlich ist. Klaus Brenzel vom „Schneller Wohnen Magazin“ erläutert den Aufbau der Schränke, die aus Metall, Hartfaserplatten und Acrylglas zusammengesetzt sind: „Die Teile werden nur zusammengesteckt, nicht geleimt. Man kann auch die Höhe der Fächer verändern.“ Wird der Schrank in seine Einzelteile zerlegt, sind die Eckpfeiler die längsten, die Türen die breitesten Elemente. Die schlichte Ausführung, bei der auf eine farbige Gestaltung verzichtet wurde, kostet kaum mehr als dreihundert Mark, die bunte Variante etwa das Dreifache.

Sehr große Variationen ermöglicht das Universalsystem der aus Schweden stammenden Kette „Regale“. Die einzelnen Stützen haben in verschiedenen Höhen Bohrlöcher, in die Bügel eingesteckt werden können. Die Bohrlöcher führen schräg nach unten, die Bügel reichen fast über die ganze Tiefe des Regals, so daß die Bretter darauf stabil liegen. Beim Umbau können die Bügel herausgenommen werden, ohne Spuren in den Löchern zu hinterlassen. Druckstellen und Gewindeschäden werden so vermieden, doch die Schönheit des Holzes hat auch ihren Preis: „Mit weichem Kiefernholz muß man immer sehr vorsichtig umgehen“, mahnt Renate Schmidt, Filialleiterin der Berliner „Regale“-Filiale in der Kurfürstenstraße, wo außer Regalen auch zerlegbare Betten und Schränke angeboten werden. Auch das Nachdunkeln des Holzes sollte bei allzu euphorischen Expansionsplänen bedacht werden.

Die Grundregel, daß einzelne Teile nachgekauft werden können, hat in der freien Marktwirtschaft auch noch andere Tücken: Peter Dirk von der Berliner Verbraucherzentrale, Abteilung Wohnberatung, warnt vor übermäßiger Sorglosigkeit. „Die wenigsten machen sich Gedanken, ob sie Teile nachkaufen können. Dabei könnte das Sortiment nach vier oder fünf Jahren eingestellt werden.“ Zumindest nach einer Nachkaufgarantie sollte man sich erkundigen. Wenn eine ganze Firma vom Markt verschwindet, sind die KundInnen erst recht gelackmeiert.

Ein anderes, oft zu spät beachtetes Problem ergibt sich bei leicht transportablen Möbeln oft, wenn sie gleich vom Laden nach Hause mitgenommen werden können. Peter Dirk beschreibt, welches Leid ihm schon oft geklagt worden ist: „Wenn Sie dann zu Hause Schäden feststellen, sind Sie immer in Beweisnöten.“ ZeugInnen, die beim Auspacken dabei sind, können ein Ausweg sein, am besten sei jedoch, wenn die KäuferInnen noch im Geschäft die Ware möglichst genau inspizieren könnten.

Auch ungewöhnliche Materialien erwecken nicht ohne weiteres Vertrauen. Daß man auf Papphockern sitzen kann, ist zumindest Kirchentagfans geläufig. Aber wer kann wissen, wie ein Pappregal aussehen wird, wenn unbemerkt vergossene Flüssigkeiten länger darauf einwirken? Peter Dirk hält „angesichts der Recyclingmöglichkeiten“ Pappmöbel grundsätzlich für eine „glorreiche Idee“, betrachtet sie jedoch – auch wegen der tatsächlichen Verkaufspreise – eher „skeptisch“. Michael Zander, Mitgeschäftsführer von „Leichter Wohnen“ in der Böckhstraße, versucht mit Vorführstücken Vertrauen zu schaffen: „Die Belastbarkeit bei unserem Pappbett ist überhaupt kein Problem. Hinten steht eins zum Ausprobieren, weil viele Leute das nicht glauben – das ist mordsmäßig stabil.“

Noch sparsamer kann es sein, Umzugsutensilien und Wohnungseinrichtung miteinander zu verbinden: Uwe Kortmöller, freiberuflicher Designer, hat bei seiner Diplomarbeit an der Hochschule der Künste (HdK) zwei Umzugskartons entworfen, die – mit dem Boden nach hinten – als Bausteine für ein Pappregal dienen. Sie werden dazu mit festhaftenden Eckstücken versehen, die außen Druckknöpfe aufweisen – ähnlich wie Legosteine. „In einer Zeit, wo es so viel Wohnraumnot gibt, braucht man ein Möbel, das Transportmittel und Übergangsmöbel sein kann“, so Kortmöller, der für seine Erfindung noch einen Hersteller sucht. Während des Studiums hat er erfahren, wie wichtig es für Menschen in provisorischen Wohnungen ist, diese – theoretisch – schnell und ohne Schwerarbeit wechseln zu können. „Wenn ich wollte, könnte ich schnell wieder umziehen“, laute die Perspektive seiner potentiellen KundInnen. Ob sie es wirklich tun, steht auf einem anderen Blatt. Auch bei anderen flexiblen Möbeln, so Kortmöller, würden die Möglichkeiten, die sie bieten, letztlich oft nicht genutzt. „Viele Leute kaufen einen Tisch mit Rollen, aber sie verschieben ihn dann doch nie.“

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