Techno bietet die Freiheit, alles zu tun, was du willst

■ Interview mit DJ und Love-Parade-Begründer Dr. Motte

taz: 150 Leute waren es, als ihr angefangen habt. In diesem Jahr werden 200.000 Besucher erwartet. Was wollen die ganzen Leute da überhaupt?

Dr. Motte: Na, Spaß haben. Und demonstrieren, wofür wir zusammenkommen: Liebe, Frieden und Toleranz.

Wie bist du denn 89 überhaupt auf das Motto gekommen? War das so eine unschöne Zeit?

Das hatte sich so als fixe Idee bei mir festgefressen. Und da habe ich gesagt: Los, das machen wir jetzt einfach mal. Ich hatte natürlich auch Vorbilder. Den Christopher Street Day in New York zum Beispiel. Streetparties fand ich halt schon immer klasse. Entsprechend meiner persönlichen Entwicklung hat sich das Ganze natürlich auch weiterentwickelt, so daß wir mit der Love Parade nach meiner heutigen Ansicht auch ein sehr wichtiges politisches Thema behandeln. Noch nie waren so viele Kriege auf der Erde. Noch nie war die Umwelt so zerstört wie jetzt. Da gilt es Zeichen zu setzen für die Liebe.

Was unterscheidet denn die Raving-Society – bei der das mit der Harmonie ja angeblich so hervorragend klappt – vom Rest der Menschheit?

Nichts. Vielleicht sind sie mehr nach innen gekehrt. Weil sie mehr nachdenken über das, was sie tun. Weil sie sich selbst befreien wollen, sich ausleben wollen. Weil sie auf der Suche sind nach etwas. Ich weiß es aber nicht. Da müßtest du jeden einzelnen selbst fragen. Ich weiß nur, daß ich schon immer auf der Suche war nach etwas, was mich glücklich macht. Und da kann man den Weg der Angst gehen oder den der Liebe.

Wer kommt alles zur Love Parade?

Ich lade immer die ganze Welt ein, alle Tiere ...

Na ja, aber de facto ist es doch sicherlich eher für einen ganz bestimmten Schlag von Zeitgenossen gedacht ...

Nee, das ist wirklich ganz unterschiedlich. Das ist die 80jährige Oma, die am Straßenrand steht, die nicht mehr tanzen kann, dafür nur grinst. Oder auch HipHopper, die eigentlich kein Techno mögen. Das ist ja der springende Punkt: Techno hat keine Konzepte, und es bietet die Freiheit, alles zu tun, was du willst. Das ist auch der Grund, weshalb so viele daran teilhaben. Techno ist letztendlich das, was du selbst mitbringst. Darum ist so kommerziell, wie es ist, darum ist es so undergroundig, wie es ist. So housig, so schwul oder hetero, wie es ist.

Wo liegt dann der gemeinsame Nenner?

Die Stimmung, die Atmospähre, die Energie – alles zusammen. Es ist alles so euphorisch. Die Musik an der frischen Luft, das Gegensätzliche, das Wilde und der gesetzte Ku'damm. Das ist auch der Grund, weshalb ich das Ganze mache – um wenigstens für diesen Augenblick die Menschen glücklich zu machen. Es ist mein Beitrag, das Glück zu vervielfältigen.

Aha. Thomas Enslein