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Erste Professur für kurdische Kultur

■ FU beruft als erste deutsche Uni einen Gastprofessor für Kurdologie / AStA kämpfte drei Jahre um die Stelle

Die Freie Universität hat als erste Uni der Bundesrepublik eine Gastprofessur für Kurdologie eingerichtet. Das Fach Kurdologie soll mit einem sozialwissenschaftlichen Ansatz die neuere kurdische Geschichte, die aktuelle Situation im Land und die Strukturen der kurdischen Gesellschaft erforschen. Der berufene Gastprofessor Martin van Bruinessen von der Universität Utrecht, von Hause aus Ethnologe und Sozialanthropologe, wird laut Vizepräsident Väth „dazu beitragen, daß die wissenschaftliche Seriosität der Lehrveranstaltungen gewährleistet ist“.

Reaktionen von türkischer Seite blieben bislang aus; aber die FU-Leitung will sich auf keinen Fall von diesen beirren lassen. Die studentische Initiative Kurdistan-AG des AStA-FU, auf deren Mühen dieses Projekt zurückzuführen ist, betrachtet die Gastprofessur als außerordentlichen Erfolg, selbst wenn diese nur auf das Wintersemester 96 und das Sommersemester 97 beschränkt sei. Als sie vor drei Jahren ein Institut für Kurdologie forderte, ging die FU- Leitung darauf nicht ein, mit der Begründung, das Fach wäre zu unwissenschaftlich. Dabei gab es bereits in den zwanziger Jahren umfangreiche Kurdologiestudien in Deutschland, die nach der Eingliederung Kurdistans in die Nachfolgestaaten des Osmanischen Reiches nicht weitergeführt wurden. Nur in der Sowjetunion gab es ausgiebige Studien und später in Paris ein Institut für Kurdologie.

Um die Eigenständigkeit des Faches zu beweisen, veranstaltete die Kurdistan-AG im Sommersemester 93 eine Vortragsreihe, an der Kurdistanexperten, wie zum Beispiel Joyce Blau, die den einzigen kurdologischen Lehrstuhl Europas innehat, der kurdische Historiker Ismet Cherif Vanly und Izzaddin Rasoul von der Salahaddin Universität in Irakisch-Kurdistan teilnahmen. Zusammen mit weiteren Wissenschaftlern stellten sie Forschungsperspektiven für einen Studiengang in Berlin vor und zeigten Forschungslücken auf. Offensichtlich hat sich die ganze Arbeit gelohnt, denn FU-Präsident Gerlach begrüßte diese Gastprofessur, die zusammen mit einer anstehenden Ringvorlesung als Bewährung anzusehen sei. Eingeplant ist die Ringvorlesung für das Wintersemester 95 und das Sommersemester 96; sie soll die Vortragsreihe von 1993 weiterführen sowie die Gastprofessur vorbereiten und Interessenten einen tieferen Einblick in das Fach geben. Je nach Erfolg dieser Projekte wird entschieden, ob ein Teilstudiengang eingerichtet wird. Zonya Dengi

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