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Australien boykottiert Frankreich

Gestern feierte Frankreich seinen Nationalfeiertag, doch am Empfang der französischen Botschaft in Canberra nahm nur ein Beamter des australischen Regierungsapparats teil  ■ Aus Sydney Dorothea Hahn

„In diesem Land ist nicht Bastille-Day, hier ist der Tag der Aborigines und der Torres-Strait-Islanders“, ruft die junge Frau ins Mikrofon. Die Menschenmenge vor dem Rathaus applaudiert. Transparente gehen in die Höhe. „Die sollen Fisch essen“, steht darauf, „Stoppt die Bombe“, „Laßt uns in Ruhe“ und „Keine französische Arroganz im Pazifik“. Von einem winterkahlen Baum herunter ruft ein Demonstrant: „Fuck the French“.

Wie in Sydney so im Rest Australiens und – wenn auch in geringerer Zahl – im benachbarten Neuseeland gingen gestern die Menschen zu Tausenden gegen die geplanten französischen Atombombentests auf die Straße. Vor der Botschaft in Canberra, wo ein Empfang zum französischen Nationalfeiertag stattfand, bei dem sich die australische Regierung von einem Beamten vertreten ließ, bildete sich ein Protestspalier. In Wellington hielt die Polizei die Demonstranten von tätlichen Übergriffen ab.

Wichtigste Aktionsform ist in Australien weiterhin der bereits vor Wochen lancierte Boykott französischer Produkte. In Neuseeland, wo die Regierung von vornherein die Tests verurteilte, hat der Boykott dagegen weniger Anhänger. Zunehmend wird aber auch die französische Präsenz im Pazifik selbst kritisiert. „Die glauben, daß sie das dürfen, weil sie ein paar Inseln in der Region haben. Das ist kolonialer Imperialismus in Reinform“, sagte eine Aborigines- Sprecherin bei der Demonstration in Sydney.

Auch die eigene – australische – Regierung griffen die Demonstranten in Sydney an. Nachdem am Vortag der konservative neuseeländische Regierungschef Jim Bolger angekündigt hatte, er werde ein unbewaffnetes Boot seiner Marine als Geleitschutz für neuseeländische Parlamentarier mit auf den Weg nach Moruroa schicken, verlangen die Australier ähnliche Initiativen von ihrem Regierungschef. Der Labour-Politiker Paul Keating soll den Internationalen Gerichtshof einberufen, ein Schiff nach Moruroa schicken und den Uranexport nach Frankreich stoppen.

Immer mehr neuseeländische und australische Parlamentarier wollen – nach dem Vorbild von „Greenpeace“ – vor den französischen Basen gegen die Tests zu demonstrieren. Zur moralischen Verstärkung sollen pazifische Vertreter als Gäste auf ihre Boote kommen. Gegen gewählte Politiker, so ihre Hoffnung, werden sich die Franzosen nicht trauen, ihre Fremdenlegion einzusetzen.

Gleichzeitig suchen die australischen und neuseeländischen Atomtestgegner weiter händeringend nach Verbündeten in Europa. Besondern in Frankreich vermuten sie große Mengen bislang unerkannt gebliebener Bombengegner. Die wollen sie unterstützen und zum Protest gegen Chirac ermuntern.

„Jacques Chirac – nimm deine Bombe zurück“, sangen Rapper an der Ecke zur Georges Street am Rand der Demonstration. Am Mikrofon warnte unterdessen ein Priester vor Überreaktionen. „Wir dürfen es nicht dazu kommen lassen, daß in Australien Chirac-Figuren verbrannt werden“, sagt er. Als Antwort aus der Menge kamen Buhrufe und die wütende Gegenfrage: „Wieso denn nicht?“

Die Organisatoren der australischen Demonstrationen – zumeist Mitglieder der Friedensbewegung, die Anfang der achtziger Jahre ihren letzten Höhepunkt mit dem Kampf gegen Raketen der USA im Pazifik hatte – sind von dem Erfolg ihres Aufrufs überwältigt. „Vor ein paar Jahren wären nicht so viele Menschen gegen Atombomben auf die Straße gegangen“, sagt ein Rocksänger.

Und ein grüner Politiker stellt fest, daß Frankreich eine Entwicklung losgetreten hat, die voll in die andere Richtung geht. „Statt die Tests hinzunehmen, horchen nun immer mehr Menschen auf. Und ihr Protest weitet sich zum grundsätzlichen Nein gegen Atomwaffen aus – im Pazifik und anderswo“, sagt er.

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