: Arbeitsgerichte greifen durch
■ Wer gegen ausländische Kollegen hetzt, kann fristlos fliegen
Freiburg (taz) — Ausländerfeindliche und antisemitische Äußerungen im Betrieb werden nicht mehr als Kavaliersdelikte behandelt. Wer hetzt, kann fliegen, und angefochtene Kündigungen haben vor den Arbeitsgerichten meistens Bestand. Dies ergibt eine Durchsicht zahlreicher in den letzten drei Jahren veröffentlichter Urteile.
„Türkische Frauen sollten besser Asbest tragen, denn demnächst werden sie ohnehin verbrannt.“ Wer am Arbeitsplatz so was von sich gibt, kann fristlos gekündigt werden. Das entschied Ende letzten Jahres das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm. Gleiches gilt für das Aufhängen eines Hitlerbildes im Büro oder Witze über die Judenvernichtung. Auch so blöde Scherze wie die Frage: „Hat es bei euch gebrannt?“ mit dem anschließenden Blick auf zwei schwarzafrikanische Kollegen und der Erklärung: „Weil da zwei Verkohlte rumsitzen“, erklärte das Arbeitsgericht Mannheim für ausländerfeindlich, die Kündigung deshalb für rechtmäßig.
Eine Abmahnung als „milderes Mittel“ halten die Arbeitsgerichte für unnötig, wenn der Vertrauensverlust so groß ist, daß dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Aus der Reihe fielen nur zwei Urteile, in denen es jeweils um die Weitergabe des in zahlreichen Betrieben als Flugblatt kursierenden „Asylbetrüger-Gedichts“ ging. In diesem Pamphlet hieß es unter anderem „Herr Asylant, hallo wie geht's / oh ganz gut, bring' Deutschen Aids / Komm' direkt aus Übersee / hab' Rauschgift mit, so weiß wie Schnee“. Das LAG Hamm hielt in diesem Fall eine Abmahnung für ausreichend, weil der Arbeitnehmer das Gedicht nicht selbst verfaßt hatte und er es nur an eine interne Pinnwand hängte. Und das Arbeitsgericht Hannover stellte im anderen Fall fest, daß dieses Gedicht keinen Aufruf zur direkten Gewalt enthalte. Beide Gerichte wurden dafür in mehreren Fachzeitschriften gerüffelt.
So monierte der Bremer Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler das „ungewöhnlich hohe Maß an Milde“ und erinnerte die Arbeitsrichter an die Rechtsprechung zu linksradikalen Äußerungen im Betrieb. Hier hätten bereits Parolen wie „Entlassungsterror“ und „Arbeitshetze“ für fristlose Kündigungen ausgereicht. Der Berliner Arbeitsrichter Michael Korinth warnte in der gewerkschaftsnahen Zeitschrift Arbeit und Recht davor, die Meinungsfreiheit im Betrieb zu gering zu schätzen. Aber auch er kommt zum Ergebnis: „Wenn Kollegen beleidigt oder verächtlicht gemacht werden, muß dies unterbunden werden.“ Allerdings müsse der Kündigung eine Abmahnung vorausgehen.
Wie reagiert nun der DGB, wenn Gewerkschaftsmitglieder gegen eine Kündigung wegen ausländerfeindlichen Verhaltens Rechtsschutz bei ihrer Einzelgewerkschaft begehren? Rudi Bantel vom DGB Freiburg kann sich zwei Konstellationen vorstellen, in denen er ausnahmsweise doch Rechtsschutz gegen eine entsprechende Kündigung befürworten würde: „Zum einen gibt es Fälle, bei denen der Arbeitnehmer mit guten Argumenten bestreitet, die Äußerung überhaupt getan zu haben. Wir hatten schon Fälle, bei denen der Arbeitgeber nur einen billigen Kündigungsgrund gesucht hatte. Zum anderen kommt es gerade bei Streitigkeiten im Kollegenkreis sehr auf den Einzelfall an. Wichtig ist dann aber, daß der Kollege sich für seine Äußerungen zumindest entschuldigt hat.“ Christian Rath
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