Mit dem Koalitionsvertrag auf Du und Du: „Erhöhungs-Lawine“
■ Mieterverein gegen Bremer Mietspiegel
Der von SPD und CDU geschlossene Koalitionsvertrag läßt viele wichtige Fragen offen und wirft genauso viele Fragen selber auf. In loser Folge versucht die taz deshalb im Gespräch mit Betroffenen der undeutlichen Koalitionsbeschlüsse, zur Aufklärung beizutragen.
Heute geht es um den Beschluß: „Die Koalitionspartner verabreden die Einführung eines Mietenspiegels für die Stadt Bremen. Die Kosten sind von den beteiligten Verbänden aufzubringen.“ Helmut Engelmann ist Geschäftsführer des Bremer Mietervereins mit rund 11.000 Mitgliedern.
taz: Was hält der Mieterverein von der Einführung eines Mietspiegels?
Helmut Engelmann: Wir sehen darin ein Instrument, um die Mieten zu erhöhen und meinen, daß die größere Transparenz, die damit natürlich auch erzielt wird, für die Mieter keine Vorteile bringt.
Der Mietspiegel soll doch auch Mieter vor überhöhten Mieten schützen.
95 Prozent der Wohnungen sind ja vermietet, nur fünf bis sechs Prozent werden pro Jahr neu vermietet. Diese Neuvermietungen könnten sich am Mietspiegel orientieren. Aber der Vermieter ist frei, trotzdem mehr zu nehmen.
Problematisch wäre ein Mietspiegel besonders für die bestehenden Mietverträge. Da kommt dann plötzlich eine Tabelle auf den Markt, und die reizt geradezu jeden Vermieter dazu, nachzugucken. Wenn dann da 9,50 Mark steht und er bisher nur acht Mark nimmt, dann denkt er, da kann ich doch prima erhöhen. Da wird es am Anfang eine richtige Lawine von Mieterhöhungen geben.
Der Mieter hat keinen Vorteil?
Gar keinen kann man nicht sagen. Wenn man als Mieter eine Wohnung für 18 Mark mietet, im Mietspiegel aber nur zehn Mark stehen, dann könnte man den Vermieter wegen Mietwucher anzeigen und die Miete drücken. Aber in der Gesamtwirkung wird ein Mietspiegel in 90 Prozent Mieterhöhungen und in zehn Prozent der Fälle Mietsenkungen bringen.
Das ist die Erfahrung aus anderen Städten?
Die Erfahrungen in anderen Städten sind sehr unterschiedlich. Es gibt große Städte, die haben keinen Mietspiegel und leben damit gut. In Bremen konnten wir unser relativ günstiges Mietenniveau halten, obwohl wir keinen Mietspiegel haben.
Wird sich die Koalition trotzdem mit ihrer Forderung durchsetzen?
Da steht ja auch noch, daß die Kosten von den Verbänden getragen werden sollen. Zwischen denen hat es schon vor Jahren einmal Gespräche gegeben, aber über den Schlüssel, wer nun welchen Anteil der Kosten bezahlt, konnten sie sich damals nicht verständigen. Und wir als Mieterverein haben immer gesagt, dafür haben wir gar kein Geld.
Billig ist ein Mietenspiegel nämlich nicht. Da müssen ja richtige Erhebungen gemacht werden. Da kommt auch ein Problem auf uns zu: Um eine richtige Marktübersicht zu haben, darf man nicht nur verwaltete Wohnungen nehmen, sondern muß auch Eigentümer befragen, die lieber mit einem Mieter leben, der nicht wegen jedem tropfenden Wasserhahn kommt und deswegen auch nicht so eine hohe Miete nimmt. So eine Befragung kostet aber viel Geld.
Scheitert die Einführung eines Mietenspiegels womöglich an der Finanzierung?
Inzwischen ist auch die Gewoba sehr an einem Mietenspiegel interessiert, vielleicht haben die ja ein dickes Polster, das sie dafür ausgeben können. Ich bin mir nicht mehr sicher, daß es an der Kostenfrage scheitert. achdem das im Koalitionsvertrag steht, wird es ja jetzt auch politischen Druck geben.
Wir werden als Mieterorganisation darauf dringen, daß wirklich genügend Vergleichszahlen erhoben werden – mindestens 30-50 Mieten pro Wohnungskategorie.
Fragen: Dirk Asendorpf
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