: Brand im Abschiebeknast
■ Hilflos reagierten die Behörden, nachdem gestern erneut Flüchtlinge Feuer in den Zellen der Ostertorwache legten: Sie nahmen ihnen die Feuerzeuge weg
Gestern brannte es schon wieder in zwei Zellen der Ostertorwache, wo zur Zeit 12 Häftlinge aus neun Nationen in Abschiebehaft sitzen. Gegen 19.45 Uhr, so der Polizeibericht, wurden Beamte auf eine Zelle aufmerksam, in der sich vier Abschiebehäftlinge aufhielten. Diese riefen laut „Feuer, Feuer“ und traten von innen gegen die Zellentür. Mittels eines Pulverlöschers konnte ein Beamter eine an mehreren Stellen brennende Matratze löschen, heißt es. „Es entstand somit kaum Sachschaden. Personen waren nicht gefährdet.“
Etwa eine Stunde später aber seien aus einer anderen Zelle heraus erneut Warnrufe gedrungen. Als die Beamten mit einem Feuerlöscher die verqualmte Zelle betraten, brannten auf einem Bett aufgehäuftes Wollzeug, Decken und ein Kissen lichterloh. Auch dieses Feuer sei schnell erstickt worden, „wiederum entstand nur geringer Sachschaden. Personen wurden durch das Feuer nicht verletzt“.
Von den drei Zelleninsassen sollen sich bei Ausbruch des Brandes zwei in einem separaten Toilettenraum aufgehalten haben. Lediglich ein 43jähriger, den die Polizei für den Tatverdächtigen hält, habe sich mitten im Raum aufgehalten. Nachdem die Polizeibeamten das Feuer gelöscht hatten, schlug „der Tatverdächtige“ ein Fenster ein und fügte sich mit einer Scherbe „eine leichte Verletzung“ zu. Der herbeigerufene sozialpsychiatrische Dienst veranlaßte seine Überweisung in die geschlossene Psychiatrie Krankenhaus-Ost. „Als Folgemaßnahme der beiden Vorfälle und der daraus resultierenden Gefährdungslage“, schreibt die Polizei, „wurden von sämtlichen Abschiebehäftlingen die Rauchutensilien sichergestellt“.
Ob das eine Lösung ist, bezweifelte gestern mittag selbst das Innenressort. „In drei Wochen fünf Geschichten – das kann einfach nicht sein“, kommentiert Merve Pagenhardt, die persönliche Referentin des Innensenators, die neuerlichen Brände. „Man muß sich fragen, ob die Polizei möglicherweise überfordert ist.“ Wenn den Häftlingen die Rauchutensilien weggenommen würden, sei das nur eine Maßnahme. Andererseits, spielt Merve Pagenhardt auf den Fall des Togolesen an, der am Dienstag versuchte, sich mit einem Kabel in der Zelle zu erhängen, könne man, selbst wenn man alle Kabel, Radios und Fernseher aus den Zellen entfernte, solche Vorfälle nicht vermeiden: „Ausschließen kann man das nie.“
Ein aufgrund der Vorfälle gestern nachmittag spontan einberufenes Gespräch zwischen der Ausländerbehörde und der Polizei zeigte denn auch deren Hilflosigkeit: Die Beamten, resumiert Merve Pagenhardt das Gespräch, sollen zu „größerer Sensibilität“ angehalten werden. Soll heißen: Die Polizeibeamten machen häufiger Rundgänge durch die Zellen. Außerdem wurden den Flüchtlingen sämtliche Feuerzeuge abgenommen, das Rauchen ist nurmehr auf Abruf möglich. „Sie müssen sehen, daß wir uns in einer Übergangsphase befinden“, sagt die Ressortsprecherin angesichts des zum Jahresende geplanten Umzuges der Abschiebehaft ins Blockland. Was bis dahin passieren soll, um einer Eskalation der Situation in der Ostertorwache vorzubeugen, führt, statt zu einer Antwort, allein zu einer Gegenfrage: „Was sollen wir denn machen?“
Nicht einmal die Einstellung eines Sozialarbeiters war Thema in der gestrigen Gesprächsrunde. Während in der „normalen“ Haft sowohl sozialarbeiterische als auch psychologische Betreuung selbstverständlich sind, ist dafür in der Abschiebehaft niemand vorgesehen. Obwohl die Abschiebehaft mit einer Dauer von bis zu 18 Monaten dreimal so lang ist wie die normale Untersuchungshaft, die maximal sechs Monate dauern darf.
Der Betreuungsbedarf bei den Flüchtlingen ist sehr groß, bestätigt die Asylgruppe Ostertor, die sich, wann immer möglich, um die Flüchtlinge in der Abschiebehaft kümmert. Trotzdem reduzierte die Polizei vor wenigen Tagen die Besuchsmöglichkeiten der MitarbeiterInnen der Asylgruppe: Während die MitarbeiterInnen bislang, sofern es die Beamten erlaubten, an jedem Tag Besuche machen konnten, dürfen sie jetzt nur noch dienstags für eineinhalb Stunden die Häftlinge besuchen.
Eventuell will das Innenressort am Montag über den Einsatz eines Sozialarbeiters sprechen, sagt Merve Pagenhardt. Die bei der gestrigen Kundgebung von TeilnehmerInnen und Anwälten übereinstimmend artikulierte Forderung, die Abschiebehaft abzuschaffen und stattdessen die Meldepflicht als Kontrollinstrument einzusetzen, lehnt die Sprecherin des Innenressorts dagegen ab: „Das läuft nicht“, sagt sie. Schließlich gebe es immer wieder Personen, die sich illegal in Bremen aufhalten. Im übrigen, ergänzte sie, „hat jeder die Möglichkeit, freiwillig auszureisen.“ dah
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