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Mit Schirmmütze und Tarnkappe

■ Einst war er der Vorzeigepolizist Sachsens, heute wird nach Sam Njankouo Meffire gefahndet / Der Afrodeutsche soll mehrere Discos brutal überfallen haben

Am Anfang und am Ende seiner Karriere steht das medienwirksame Foto. Dazwischen liegen drei Jahre. 1992 warb die Sächsische Zeitung mit seinem Kopf für sich und Toleranz; die „Anzeige des Jahres“ wurde bundesweit bekannt. 1995 steht Sam Njankouo Meffire auf den Fahndungslisten der Polizei. „Der Mann ist bewaffnet“, muß Polizeisprecher Karsten Schlinzig warnen, als er in der MDR-Sendung „Kripo life“ das Foto seines einstigen Kollegen zeigt.

Der bekannteste Polizist der Bundesrepublik hatte sich im Oktober vergangenen Jahres aus dem Dienst verabschiedet und offenbar schon vorher die Fronten gewechselt. Statt der Polizeimütze trug er zuletzt eine Tarnkappe. Der gebürtige Sachse mit dunkler Hautfarbe war zur Polizei gekommen, weil er, wie er in Talkshows überzeugend erklärte, etwas leisten wollte gegen den Fremdenhaß im neuen Deutschland. Sein damals oberster Chef, Innenminister Heinz Eggert (CDU), präsentierte sich im ausländerarmen Sachsenland gern mit der symbolträchtigen Neueinstellung.

Sam Njankouo Meffire ging auf die Polizeischule und wurde nach 18 Monaten Kriminalmeister; ein bekanntes Gesicht auch in Dresdner Szenekneipen. Sogar einen Film drehte er, noch als Praktikant, und zwar einen Lehrstreifen über Polizeitaktik. Als die sächsische Polizei im Juni 1993 in Dresden einen verbotenen Aufmarsch der FAP auflöste, bekam einer der Jungnazis Sam Meffires Polizeigriff hart zu spüren.

Action war seine Sache, der Schreibtisch weniger. Auf welchen Pfaden er schließlich in der Unterwelt ankam, wird noch aufzuklären sein. Die Kollegen staunten jedenfalls nicht schlecht, als sie Meffire gelegentlich dort begegneten, wo der ehrbare Bürger nichts zu erledigen hat. Verletzung der Dienstpflichten beendete die Karriere; so schien es jedenfalls.

Am 30. Januar dieses Jahres erstürmten vier maskierte Männer eine Diskothek in der sächsischen Kleinstadt Strehla. Die Polizei mußte in „Kripo life“ um Hilfe bitten, ohne mehr bieten zu können als Fotos vom blutverschmierten Fußboden, Gespräche mit fassungslosen Zeugen, Phantombilder von Skimützen. Die Täter schien's waren Profis. Sie handelten äußerst brutal und verschwanden mit einigen tausend Mark. Tage später überfielen fünf Maskierte den Nachtklub „Kolibri“ in Dresden, wieder brutal, aber „nur“ mit 1.500 Mark Erlös. Drei Tage darauf, in einem Dorf am Rande Dresdens, erneut ein Fall für „Kripo life“: Überfall auf eine Postangestellte, die Täter auf und davon mit 50.000 Mark. Wenig später wurde ein Mann in Radebeul nachts aus einem fahrenden Auto heraus mit einer Schrotflinte beschossen. „Das Opfer war nicht so harmlos, wie wir erst annahmen“, kann Schlinzig heute erklären; die Polizei habe Hinweise auf einen Streit im Rotlichtmilieu. Drei Tatverdächtige, die an dieser Überfallserie mitgewirkt haben sollen, sind in Haft. Einer, der Boß, fehlt. Und dieser, dafür haben die Ermittler Geständnisse der eingelochten Ganoven und Anhaltspunkte von Zeugen, heißt Sam Njankouo Meffire.

Dem Stern hat der Gesuchte im vorigen Monat an geheimem Ort anvertraut: „Vielleicht sollte ich mich stellen. Ich will nicht mehr kämpfen.“ Detlef Krell

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