: Kein Frieden für Chinas Atomtester
■ Greenpeace-Spitze bei Protest auf dem Platz des Himmlischen Friedens vorübergehend festgenommen
Berlin (taz) – Greenpeace läßt den internationalen Atomtestern keine Ruhe. Gestern morgen haben sechs führende Mitglieder der Organisation vor dem Mao-Bild am Platz des Himmlischen Friedens in Peking ein fünf Meter langes gelbes Protestbanner gegen geplante chinesischen Atomtests entrollt. Darauf stand in chinesisch und englisch zu lesen: „Stoppt alle Atomtests!“ Die Aktion dauerte nur eine Minute. Danach nahmen 30 Sicherheitskräfte die Umweltschützer fest. Gestern abend wurden sie nach Angaben des Bonner Außenministeriums wieder auf freien Fuß gesetzt. Sie würden heute nach Hongkong „ausreisen“ und hielten sich in einem Hotel auf, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Außenminister Klaus Kinkel hatte den deutschen Geschäftsträger in Peking angewiesen, für die Freilassung zu intervenieren.
Anlaß für den außergewöhnlichen Pro- test waren Berichte, daß die chinesische Führung schon in den kommenden Tagen einen erneuten Atomtest, den 43. in der Geschichte des Landes, plant. „China soll keine Chance bekommen, die Bewegung zu einem schnellen, umfassenden Atomteststopp aufzuhalten“, hatte der dann festgenommene designierte Geschäftsführer von Greenpeace International, Thilo Bode, zuvor erklärt.
Neben Bode hatten die Sicherheitskräfte Harald Zindler aus Deutschland und die Leiter der Greenpeace-Büros der vier weiteren Atommächte festgenommen: aus Frankreich Penelope Komites, aus Rußland Sascha Kanorre, aus Großbritannien Ann Dingwall und aus den USA Bill Keller. Die Sicherheitsbehörden hatten zunächst auch zehn Journalisten festgehalten, von denen bis Redaktionsschluß acht wieder auf freiem Fuß waren. Zwei Fotografen, darunter den Deutschen Peter Braun, hielten die chinesischen Behörden weiter fest. Auch sie sollen nach Greenpeace-Informationen inzwischen wieder frei sein.
Noch am Sonntag hatte der chinesische Ministerpräsidenten Jiang Zemin angekündigt, bis zum Abschluß des Atomteststoppvertrages Ende 1996 weitere Atomtests auf dem Gelände von Lop Nor in Westchina vorzunehmen. China hatte sich als einzige der fünf offiziellen Atommächte seit 1992 nicht an das freiwillige Atomtestmoratorium gehalten und in der von Uiguren bewohnten Provinz Sinkiang weiter Tests vorgenommen. China und Frankreich waren in den siebziger Jahren auch die letzten Atommächte gewesen, die atmosphärische Atomtests vornahmen.
Die Proteste gegen die geplanten französischen Atomtests im Pazifik liefen auch gestern auf Hochtouren weiter. In Ilulassat auf Grönland forderten die Regierungschefs der fünf nordischen Länder Finnland, Schweden, Dänemark, Norwegen und Island die französische und die chinesische Regierung zu einem Verzicht auf weitere Atomtests auf. In Brisbane verurteilten katholische Bischöfe aus 23 Pazifikstaaten die geplanten französischen Tests. Der australische Umweltminister John Faulkner kündigte eine neue Studie über die Strahlenfolgen der geplanten französischen Tests an.
In Genf wird seit dem 31. Juli über den Abschluß eines umfassenden Atomteststoppabkommens verhandelt. Strittig ist dabei auch die Kontrolle des geplanten Abkommens. Kontrollstationen in der Nähe von Lop Nor wären eine Gelegenheit, den Schleier des supergeheimen chinesischen Atomprogramms zu lüften. Hermann-Josef Tenhagen Seite 3
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