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Schirm & ChiffreStrictly World Wide!

■ Medien in Berlin: Die Heimatklänge im World Wide Web

Alle sind heutzutage irgendwie im Netz vertreten. Die Indifferenz dieses „irgendwie“ zeigt sich bei den meisten Anbietern im World Wide Web recht schnell – und oft auf unangenehme Weise. Nach einigem Hin- und Herklicken und vielen bunten Seiten bleibt ein schales Gefühl zurück: Hat man das gebraucht? Hat man irgend etwas gelernt?

Und jetzt auch noch die Heimatklänge im Internet. Das muß Stirnrunzeln hervorrufen: Wozu Heimatklänge im Netz, wenn man an einem lauen Sommerabend ins Tempodrom spazieren kann, wo echte Menschen Musik machen und man Bier trinken kann.

Doch Kulturpessimismus ist hier fehl am Platz. Das seit acht Jahren laufende Festival ist ein gut funktionierendes Netzwerk in der wirklichen Welt — der Online-Service seine sinnvolle Verlängerung in die Telematik: Die Seiten bieten einen übersichtlichen Informationsdienst zu allen Fragen, die man zu den Musikern, den Heimatklängen als solchen und ihrem CD-Archiv haben könnte. Hier hat jemand mitgedacht und sich in potentielle BenutzerInnen hineinversetzt.

Die Internet-Heimatklänge befinden sich auf der Homepage von Contrib.Net, einem deutschlandweiten Provider (http:// www.contrib.net). Unter „This Week“ informiert das Angebot ausführlich über die Künstler, die abends im Tempodrom zu hören sind.

Diese Woche ist dort einiges über die schillernde Karriere von Bonga zu erfahren. Der Star des Fußballclubs Benfica Lissabon war immer politisch engagiert, der Samba, den er heute spielt, ist der Soundtrack zu antikolonialistischer Parteinahme für die Kinder in den südamerikanischen Slums. Auch zu den Musikern, die in den letzten Wochen zu hören waren, finden sich detaillierte Biographien. Wer lieber auf unabhängige Informationen zurückgreifen möchte, kann mit Hilfe des Press-Buttons Konzertkritiken abrufen.

Neben dem Veranstaltungskalender steht dem Benutzer eine Übersicht über den CD-Katalog des hauseigenen Piranha- Labels zur Verfügung. Die Neuerscheinungen werden gesondert vorgestellt: Audiodateien bieten einen Einblick in das neue Material. Kurze Klangschnipsel lassen sich aus den Produktionen der Klezmatics und Nikos Papazoglous sowie aus der Compilation „Keep Your Life in Tune!“ herunterladen. Ebenfalls neu im Programm ist „Strictly World Wide!“, ein Sampler, der von den britischen Transglobal Underground bis zur polnischen Trebunia Family reicht.

Alle bisher auf Piranha erschienenen CDs können per E-Mail gegen Rechnung bestellt werden. Diese altertümliche Art der Bezahlung wird so lange nötig sein, bis die Modalitäten des digitalen Geldtransfers endgültig geregelt sind. Als hätte es zur Bestätigung des strikt weltweiten Charakters des Heimatklänge- Programms auf der einen und des World Wide Webs auf der anderen Seite noch eines Beweises bedurft, kam eine der ersten CD-Bestellungen aus Helsinki. Wie zu hören ist, konnte dem finnischen Weltmusikfan geholfen werden.

Schön wäre es, könnten auch Verbindungen zu anderen Projekten oder Plattenfirmen hergestellt werden. Dann wären die virtuellen Heimatklänge tatsächlich eine adäquate Verlängerung des realen Festivals. Heimatklänge, gebt uns Links! Strictly world-wide! Ulrich Gutmair

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