: Beratung hausbacken bis schlecht
Stiftung Warentest nahm sich die Anlageberatung deutscher Banken vor. Die Ergebnisse waren ziemlich unerfreulich. Sechs von 21 Banken bewertete die Stiftung sogar als mangelhaft ■ Aus Berlin Annette Jensen
Sie hätte 115.000 Mark geerbt, erzählt die Frau dem Bankangestellten. Jetzt brauche sie eine Beratung, wie sie das Geld am besten anlegt. Eine Lebensversicherung soll es auf keinen Fall sein, auch keine Immobilie. Und innerhalb der nächsten zwei Jahre wolle sie 20.000 Mark flüssig haben, um ein Auto zu kaufen.
„Er setzt sich für Ihr Geld so ein, als wäre es sein eigenes“, wirbt die Deutsche Bank für ihre AnlageberaterInnen. Und auch andere Kreditinstitute locken mit schönen Sprüchen. Doch die meisten Bankangestellten sind mit dem Anliegen der Erbin überfordert. Das haben die MitarbeiterInnen von Stiftung Warentest festgestellt, die 21 Geldinstituten je sieben Besuche abstatteten. Nur die Noris Verbraucherbank und die Südwestbank Stuttgart bewerteten sie mit „gut“. Die Branchenriesen Deutsche, Dresdner und Commerzbank landeten mit einem „zufriedenstellend“ im Mittelfeld. Sechs Geldinstitute, darunter die Sparkassen in Frankfurt und Dresden, die Berliner Volksbank und die Badische Beamtenbank, wurden als „mangelhaft“ eingestuft.
Die meisten AnlageberaterInnen scheitern schon daran, die Wünsche und finanziellen Verhältnisse ihrer Kundschaft herauszufinden. Um ein individuelles Angebot auszuarbeiten, müssen sie die mit der Geldanlage verfolgten Ziele ermitteln: Soll es für einen sicheren Lebensabend zurückgelegt werden, oder will die Erbin lieber mit Aktien spekulieren? Und wie sieht es mit regelmäßigen Einkünften, dem sonstigen Vermögen, der Miete und Schulden aus? Über zwei Drittel der BeraterInnen vergaßen, nach dem Einkommen zu fragen, und immerhin 31 Prozent entschieden für ihre KundInnen, wie risikobereit sie sein sollten.
So riet ein Anlageberater der Frankfurter Volksbank grundsätzlich von Aktien oder „was immer an der Börse gehandelt wird“ ab, und ein BfG-Anlageberater empfing den Kunden mit der Suggestivfrage: „Sie wollen sicherlich Ihr Geld sicher anlegen, oder?“ Kein Wunder, daß Aktien in Deutschland wenig populär sind: Nur zwei Prozent der Empfehlungen bezogen sich bei den Sparkassen darauf, bei den Großbanken war es auch nur ein Prozentpünktchen mehr. Kursrisiken wurden fast immer als negativ definiert und nicht auch als Chance dargestellt. Kein Wunder: Die von Stiftung Warentest untersuchten Aktientips der Banken lagen im letzten Jahr überwiegend daneben. Nur 38 Prozent der Kaufempfehlungen brachten eine bessere Rendite als das sichere Festgeld. Besonders hoch ist die Versagerquote der BfG-Bank.
So waren die Empfehlungen der Bankberater an die ErbInnen insgesamt sehr hausbacken. „Sparbuch und Sparbriefe sind Trumpf“, faßt Hubertus Primus, Chefredakteur von Finanztest, die Ergebnisse zusammen. Die Dresdner Bank tat sich besonders dadurch hervor, daß sie ihrer Kundschaft Lebensversicherungen empfahl – und das, obwohl die vermeintlichen ErbInnen dies explizit abgelehnt hatten. Und jeder dritte Banker scheiterte an der Aufgabe, den für das Auto eingeplanten Betrag so anzulegen, daß er in den nächsten zwei Jahre jederzeit verfügbar wäre.
Auch bei der Information über Kosten und Steuern versagten die Bankangestellten massiv. Vier von fünf vergaßen den Hinweis auf steuerfreie Kursgewinne, und 73 Prozent erwähnten die zum Teil erheblichen An- und Verkaufsspesen nicht. „Zusammenfassend bleibt die Erkenntnis, daß eine Anlagesumme von 115.000 Mark den Kreditinstituten meist keine individuelle Beratung wert ist. Bei den Kosten der Geldanlage allerdings lassen sich die Kreditinstitute genau diese Beratungsleistung teuer bezahlen“, urteilt Primus.
Die Dresdner Bank wollte sich gestern nicht zu den Ergebnissen äußern. „Wir müssen uns erst einmal in Ruhe damit befassen.“ Die mit „mangelhaft“ bewertete Badische Beamtenbank versteht das schlechte Testergebnis nicht. Täglich bekomme man Briefe zufriedener KundInnen, den Schuh könne man sich nicht anziehen.
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