: CSU trägt Kreuzeslast
■ SPD und Grüne: Bayern soll Kruzifix-Urteil gefälligst respektieren / Mahrenholz nennt NS-Vergleich "skandalös"
Berlin (AP/epd) – Die bayerische Landesregierung gerät wegen ihres Vorgehens gegen das Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts unter Druck. Führende Politiker der SPD und Grünen, aber auch der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, der CDU-Politiker Horst Eylmann, und der Deutsche Richterbund forderten gestern die Christsozialen auf, die Entscheidung des Karlsruher Gerichts zu respektieren. Eylmann sprach sich aber auch dafür aus, für Urteile des Bundesverfassungsgerichts eine „qualifiziertere Mehrheit“ vorzuschreiben. „Fünf zu drei ist kein sehr überzeugendes Mehrheitsvotum“, sagte der CDU-Politiker in Anspielung auf das Zustandekommen des Kruzifix-Urteils. Eylmann wollte sich aber nicht auf eine Zweidrittelmehrheit festlegen, wie sie der CDU-Politiker Rupert Scholz vorgeschlagen hat.
Die SPD-Vizechefin Herta Däubler-Gmelin forderte die CSU zum Einlenken auf, nachdem der stellvertretende Präsident des Verfassungsgerichts, Henschel, klargestellt hatte, daß der erste Leitsatz der Urteilsbegründung nicht präzise genug formuliert sei.
Werner Schulz, parlamentarischer Geschäftsführer der Bündnisgrünen in Bonn, warf dem bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber vor, offen zum Verfassungsbruch aufzurufen. Die „verfassungsfeindlichen Äußerungen aus der Union“ würden ein parlamentarisches Nachspiel haben.
Der frühere Verfassungsrichter Mahrenholz bezeichnete die Angriffe auf das Gericht als bestürzend. Ihm sei unverständlich, daß die bayerische Staatsregierung nicht den einfachsten Weg gegangen sei und sich im Vorfeld mit den klagenden Eltern auf einen Kompromiß geeinigt habe. Forderungen der Union, die Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts zu ändern, nannte er blamabel. Sie seien ein Angriff auf das rechtsstaatliche Fundament der Bundesrepublik: „Ein solches Urteil muß man akzeptieren ohne Wenn und Aber.“ Als Skandal bezeichnete Mahrenholz, daß die Katholische Kirche Augenzeugen der Entfernung von Kreuzen in der Nazizeit aufbieten will. Das Bundesverfassungsgericht „kann man nicht mit der SA in irgendeine Beziehung bringen“. Auch Rainer Voss, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, nannte es ungeheuerlich, das Karlsruher Urteil im Zusammenhang mit Hitlers SS zu nennen.
Die beiden großen Kirchen in Bayern wollen trotz der Klarstellung zum Kruzifix-Urteil an ihren Initiativen für eine christlich orientierte Erziehung und das Anbringen von Kreuzen in Klassenzimmern festhalten. Die Katholische Kirche plant für den 23. September auf dem Münchner Marienplatz eine Demonstration.
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