Klangwunderbei Eduscho

■ Das sechste Bremer Musikfest: 29 Konzerte in sechs Wochen

Besser, größer, schöner: das „Produkt“ Musikfest ist in seinem sechsten Jahr aus Bremen nicht mehr wegzudenken. Nicht nur Hans Wilhelm Torke aus dem Wirtschaftsressort sagt, daß es um die Vermarktung Bremens nach innen und nach außen geht, daß Förderung für ihn nur Wirtschaftsförderung sein könne und ebensolches sagt auch die neue Kultursenatorin Bringfriede Kahrs: „Die Wirtschaftskraft des Landes wird gestärkt“. Bei so viel einhelliger unkünstlerischer Zielsetzung braucht der künstlerische Leiter des Musikfestes, Thomas Albert, schon einen klaren Kopf, der die konzeptionelle Qualität und die „Innovation“ wahrt. Ein von Albert leider inflationär gebrauchter Begriff, den er gar nicht nötig hätte. Eröffnet wird das Musikfest am Sonntag mit dem Israel Philharmonic Orchestra unter dem erstmals in Bremen gastierenden Zubin Mehta. Der Anfang einer Reihe von wahrhaft illustren Konzerten, insgesamt 29 in knapp sechs Wochen. Hier hat selbst der Insider die Qual der Wahl.

Die Zahlen: Wirtschaft und Kultur geben, wie gehabt, zusammen 800.000 Mark; zu den jetzt 24 Sponsoren sind sechs neue hinzugekommen, so daß sich mit deren Geld – 1,4 Millionen –, den Eintrittgeldern und den Einnahmen über die Medienvermarktung der Gesamtetat auf 3,2 Millionen Mark beläuft. Die Agentur Albers & Pölking-Eiken rechnet mit einer Platzauslastung von 90 %. Das scheint Hermann Pölking-Eiken realistisch angesichts der Tatsache, daß die Auslastung im vergangenen Jahr bei 93 % gelegen habe. Zur Zeit liege man schon bei 70 % seines Zieles.

In der Tat hat sich die organisatorische Konzeption Alberts bewährt, denn jeder Sponsor kann aus- und ein anderer wieder einsteigen. Ganz glücklich ist Thomas Albert darüber, daß Radio Bremen sage und schreibe fünfzehn Konzert mitschneidet und zum Teil live überträgt.

Schade, daß, wie in den vergangenen Jahren, bei einem derartig großen Etat für die zeitgenössische Musik so wenig bleibt. Mit gutem Gewissen läßt sich allerdings sagen: reinfallen wird man kein einziges Mal. Eine andere Frage ist, ob das Publikum mit den zum Teil seltsamen Örtlichkeiten, in denen musiziert wird, zurechtkommen wird. Aber die riechenden Hallen der Bremer Wollkämmerei und des Eduscho-Terminals – ab den mittleren Reihen ist die Sicht auf die Bühne versperrt – oder die Raumfahrthalle der DASA sind für Thomas Albert tolle Bremer Möglichkeiten: „Warum sollen wir die nicht nutzen?“

Höhepunkte des Musikfestes sind sicher die Konzerte mit John Eliot Gardiner, der die „Große musikalische Akademie“ nachbildet, in der Ludwig van Beethoven am 2. April 1800 in Wien seine erste Sinfonie vorstellte.

Immer weiter gräbt sich sogenannte historische Aufführungspraxis ins 19. Jahrhundert vor, und wenn Roger Norrington mit seinen „London Classical Players“ die Urfassung der dritten Sinfonie (1873) von Anton Bruckner spielen wird, kann man die damals noch übliche akustische Balance zwischen Streichern, Holz- und Blechbläsern wieder hören. Ebenfalls zum ersten Mal in Bremen: „Il Giardino Harmonico“; der Gruppe eilt für die Interpretation der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts ein sensationeller Ruf voraus. Das italienische Ensemble spielt alle Brandenburgischen Konzerte von Bach. Aufsehenerregend sind auch zwei Konzerte der derzeit besten Tenöre, Christoph Prégardien und Christian Elsner, dann der Auftritt verschiedener Ensembles mit alter (Huelgas-Ensemble aus Belgien) und neuer (London Sinfonietta Voices) Vokalmusik. Auch in Bremerhaven finden wieder einige Konzerte statt, und eine Neuigkeit wird wohl die Einbeziehung zweier Opernaufführungen sein; eine davon: „Les Musiciens du Louvre“ aus Toronto spielen Henry Purcells berühmte Oper „Dido und Aenaeas“. Mein ganz persönlicher Tip sind die subtilen Klangwunder des „Quatuor Mosaiques“, die mit Worten nicht wiederzugeben sind: sie spielen ein Konzert in Bremerhaven und zusammen mit dem Klarinettisten Wolfgang Meyer eins in Bremen. Auf dem Programm: Mozart, Haydn, Beethoven.

Ute Schalz-Laurenze