piwik no script img

Der Kampf um die serbische Flotte

Dubrovnik an der Adria wird wieder beschossen. Dabei geht es nicht nur darum, den Tourismus lahmzulegen  ■ Von Erich Rathfelder

Der Regen platscht auf die Straßen, bildet Pfützen und reißende Bäche. Der plötzliche Wolkenbruch hat die Bewohner Dubrovniks von den Straßen gejagt, der allabendliche Spaziergang durch die Altstadt fällt nun aus. „Wenn es regnet, können sie wenigstens nicht schießen“, sagt eine junge Frau. Ihr Make-up hat der Regen zerstört.

Drei Jahre lang war es in Dubrovnik relativ ruhig. Das ist jetzt vorbei. Zwar ist die Stadt auch in den letzten Wochen von serbischen Granaten verschont geblieben, doch das Umland hat um so mehr davon abgekriegt. „Die Leute aus dem Norden und dem Süden fliehen wieder in die Stadt“, erklärt Adriana, die ein städtisches Informationsbüro leitet. Dagegen sind seit dem 4. August, seit die kroatische Armee in der Krajina angegriffen hat, die Touristen ausgeblieben. „Wir hatten bei einer Kapazität von 12.000 Betten schon wieder 1.600 Übernachtungen pro Tag, Touristen kamen in die Stadt und nicht nur auf die Inseln“, sagt Ilja Zanetić, der Tourismusmanager der Adriastadt.

Aber es sind nicht nur die serbischen Granaten, die den Tourismus zum Erliegen brachten. Zudem geb es auch Gerüchte über eine kroatische Militäraktion zur Sicherung des Hinterlandes. Zanetić: „Es könnte wahr werden, was der serbische Bürgermeister der serbisch besetzten bosnischen Nachbarstadt Trebenje, Bozidor Vucurević, von sich behauptet. Er sagt, er bestimme über den Tourismus in Dubrovnik.“ Tatsächlich scheint eine serbische Granate im Frühjahr auszureichen, um die ganze Sommersaison zu verderben. Und so meinen viele, daß die serbischen Artilleriestellungen jenseits der Berge endlich ausgeschaltet werden müßten.

Noch vor einigen Tagen sah es so aus, als würde die kroatische Militäraktion umgehend beginnen. Rund 10.000 Elitesoldaten wurden in der Region stationiert. Auf der Straße in Richtung Süden sind auch weiterhin Militärlastwagen unterwegs. Sie fahren die engen Serpentinen der Bergstaße hinauf, von oben ist das Tal von Trebenje gut zu überblicken. Von den Bergen aus schossen kroatische Artilleristen noch letzte Woche auf die Stadt, in der derzeit rund 30.000 Serben leben. Die Soldaten des bosnischen Serbenführers Karadžić schoßen zurück, sie griffen vor allem den nahen Flughafen an, die Lage war zum Zerreißen gespannt. Doch seit dem Wochenende schweigen die Waffen nun wieder.

Ob diese Waffenruhe jedoch hält, ist zweifelhaft. Denn das Gebiet um den Flughafen und die noch weiter südlich gelegene Halbinsel Prevlaka sind sowohl für Serbien als auch für Kroatien strategisch wichtig. Die Halbinsel Prevlaka ragt in die serbisch-montenegrinischen Bucht von Kotor. Und in dieser Bucht ist fast die gesamte Flotte der ehemaligen jugoslawischen Volksarmee zurückgezogen. Wer Prevlaka beherrscht, hat die Kontrolle über diese Flotte.

Deshalb möchte die serbische Führung gerade diese Halbinsel unter ihre Kontrolle bringen. Dieses Ziel hat auch Moskau bei den – noch nicht abgeschlossenen – Verhandlungen über ein serbisch-russisches Verteidigungsabkommen betont. Und aus dem gleichen Grund unterstützen die USA die Kroaten darin, diese Halbinsel zu halten. So ist der Kampf um die Region Dubrovnik Teil der internationalen Auseinandersetzung in diesem Krieg.

Als der britische Chefunterhändler Owen 1993 vorschlug, das Gebiet südlich von Dubrovnik den bosnischen Serben im Rahmen eines Teilungsplanes in Bosnien- Herzegowina zu überlassen – die bosnischen Serben sollten einen Weg zum Meer erhalten –, schrillten in Washington die Alarmglocken. Der britische Lord wurde zurückgepfiffen. Doch tauchen Gerüchte über neue Verhandlungen immer dann wieder auf, wenn es darum geht, eine neue Variante eines bosnischen Teilungsplans zu diskutieren. So beschuldigte Karadžić den kroatischen Präsidenten Tudjman erst letzte Woche, er halte sich nicht mehr an die Absprachen bezüglich Prevlakas. Prevlaka ist also auch zum Prüfstein für die kroatische Politik in Bosnien geworden. Die Bevölkerung jedenfalls will von einem solchen Kuhhandel nichts wissen. „Niemals geben wir einen Quadratzentimeter kroatischen Bodens an die andere Seite“, ist die einhellige Meinung in der Stadt. Selbst Tudjman hätte nicht die Macht, so etwas zu verfügen.

Auch Jure Burić, ein Parteifreund Tudjmans und Präsident der Region Dubrovnik, hält eine solche Variante für ausgeschlossen. „Die Serben haben eine blühende Phantasie. Es wird zwar verhandelt, aber nicht darüber. Wir verhandeln über die Wasserleitung nach Montenegro, die über unser Gebiet führt. Sie wurde von serbischen Granaten beschädigt. Weiter gehen die Verhandlungen nicht.“

Der Direktor des historischen Archivs von Dubrovnik, Ivan Mustać, will sich an Spekulationen nicht beteiligen. Jedoch ist für den Historiker klar, daß erst „nach einer militärischen Aktion zur Ausschaltung der serbischen Artillerie die Zukunft Dubrovniks und der Region gesichert werden kann.“ Verträge mit der anderen Seite führten zu nichts, denn die Erfahrung laute, daß diese Verträge bei veränderter Lage gebrochen würden. Die strategische Bedeutung der Region zwinge zudem Zagreb wie auch die USA, die Sicherheit Dubrovniks zu gewährleisten. Bei einer Teilung Bosniens wäre dies nicht mehr möglich.

Der Regen und der Sturm haben sich gelegt. An einem Badestrand nahe des historischen Hafens sind Hunderte von Menschen aufgetaucht. Baden ist zwar wegen der serbischen Angriffe weiterhin verboten, doch niemand hält sich daran. Für Ivana, eine Sprachen- und Tourismusstudentin, kommt trotz des Sonnenscheins keine rechte Freude auf. „Alles ist so verwoben mit großer Politik. Wir wollen nur in Frieden leben.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen