: UNO: Wir schlagen zurück
■ Die UNO macht bosnische Serben für das Massaker in Sarajevo verantwortlich. Nur Rußland gegen Luftangriffe
Sarajevo/Zagreb (dpa/AFP/taz) – Die Vereinten Nationen haben gestern die bosnischen Serben für das Massaker an der Zivilbevölkerung in Sarajevo verantwortlich gemacht. Die bosnischen Serben seien „über jeglichen vernünftigen Zweifel hinaus“ als Urheber der Attacke ausgemacht worden, hieß es in einem UNO-Bericht. Der UNO-Sprecher in Zagreb, Philip Arnold, erklärte gestern nachmittag, die militärische Reaktion der UNO sei nur noch „eine Frage von Stunden“.
Die bosnischen Serben wiesen weiterhin jede Verantwortung für den Artillerieangriff auf den zentralen Markt von Sarajevo zurück. 35 Menschen waren dabei am Montag getötet und 91 verletzt worden. Die Regierung Restjugoslawiens hat das Massaker an „unschuldigen“ Zivilisten scharf verurteilt und die Bestrafung der Verantwortlichen verlangt. Es sei ein „barbarischer“, gegen die Friedensbemühungen gerichteter Akt gewesen.
UN-Sprecher Arnold schloß nicht aus, daß die französischen Einheiten der Schnellen Eingreiftruppe von UNO und Nato, die auf dem Berg Igman bei Sarajevo stationiert sind, mit ihren zielgenauen 155-Millimeter-Kanonen zu Vergeltungsschlägen gegen serbische Artillerieposten herangezogen werden. Das Mandat der Eingreiftruppe beinhalte zwar in erster Linie die Unterstützung von UNO-Truppen, dennoch stelle ihre Einbindung in eventuelle Maßnahmen gegen die Serben „gewiß eine Möglichkeit“ dar, so Arnold. Das russische Außenministerium und Verteidigungsminister Gratschow haben gestern dringend von Nato-Luftangriffen auf Stellungen bosnischer Serben abgeraten.
Zu den Faktoren, die bei dem Vergeltungsschlag berücksichtigt werden müßten, gehört nach den Worten von UN- Sprecher Arnold das überraschende Einlenken der bosnischen Serben auf die US- Friedensinitiative. Das bosnisch-serbische „Parlament“ in Pale hatte gestern morgen nach zwölfstündiger Sondersitzung die US-Initiative begrüßt. Die bosnischen Serben wollen eine gemeinsame Verhandlungsdelegation mit den Belgrader Serben bilden. Dies war eine der Bedingungen des US-Bosnienbeauftragten Richard Holbrooke für die Fortsetzung seiner Mission. Die Belgrader Zeitung Nasa Borba berichtete, Serbenführer Karadžić sei am Sonntag vom serbischen Präsidenten Milošević ultimativ aufgefordert worden, sich bis Dienstag, 6 Uhr, für oder gegen die US-Initiative auszusprechen.
Der bosnische Präsident Alija Izetbegović hatte gestern in Paris mit einem Abbruch der Friedensgespräche gedroht, falls die internationale Gemeinschaft nicht mit einem Vergeltungsschlag auf den serbischen Angriff reagiere. Vor seinem Treffen mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac sagte Izetbegović, er stehe zu Hause „unter dem Druck der öffentlichen Meinung“.
In der Nacht zum Dienstag verließen die letzten 83 UN-Soldaten die Schutzzone Goražde, die künftig von Nato-Kampfflugzeugen gesichert werden soll. Jetzt befinden sich nur noch 450 russische Soldaten in Sarajevo auf serbisch kontrolliertem Gebiet. In der Vergangenheit hatten Serben nach Nato-Luftangriffen mehrfach UN-Soldaten als Geiseln genommen. Seiten 8 und 10
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