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Ein Attentat für Schewardnadse

Der georgische Staatschef wurde bei der Explosion einer Autobombe leicht verletzt – politisch dürfte ihm der Anschlag jedoch nützen  ■ Aus Tbilissi Jürgen Gottschlich

Das wird erhebliche Folgen haben. Jetzt werden sie wohl die Zügel wieder anziehen.“ Der deutsche Botschafter in der Hauptstadt Tbilissi, Norbert Baas, hofft, daß das Attentat auf den georgischen Staatschef Eduard Schewardnadse den beginnenden Demokratisierungsprozeß trotzdem nicht gleich ganz zum Erliegen bringen wird. „Die Verfassung wäre ein guter Anfang gewesen.“

Das Attentat auf den Präsidenten war denn auch gleichzeitig ein Anschlag auf die Verfassung. Die Bombe detonierte am Dienstag nachmittag in einem Auto im Hof des Parlaments, gerade zu dem Zeitpunkt, als Schewardnadse zur Zeremonie der Unterzeichnung der neuen Verfassung aufbrechen wollte. Während das gesamte diplomatische Corps, die Spitze der georgischen Kirche und die politische Elite des Landes im Palast der Jugend auf den Staatschef warteten, fuhren plötzlich vor dem Haus, auf der Prachtstraße Tbilissis, dem Rustaweli Prospekt, Panzer auf.

Ersten Gerüchten zufolge war der 67jährige Schewardnadse erst unverletzt, dann schwer verletzt und zuletzt leicht verletzt. Der georgische Rundfunk brachte über mehrere Stunden keinerlei Informationen, so daß die meisten Menschen in Tbilissi glaubten, es handele sich um eine Militärübung. Völlig ungerührt flanierten sie über den Boulevard, während gleichzeitig mehrere Panzer die Straße entlangdonnerten und das Parlament umstellten. Erstaunlicherweise wurden bei der Explosion der Automombe nur zwei Menschen schwer verletzt: der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Parlaments, Natadse, und der Stabschef Schewardnadses, Petr Momradse.

Über die Bombenleger wird bisher nur spekuliert. Zwar wurden gestern zehn Verdächtige, die Pläne des Parlamentsgebäudes bei sich hatten, festgenommen, ihre Motive sind aber unklar. Verdächtigt werden Anhänger des früheren Präsidenten Gamsachurdia, der vor kurzem entmachtete Milizchef Yosilani, die allgegenwärtige Mafia und natürlich der KGB.

Politische Beobachter in Tbilissi gehen davon aus, daß Schewardnadse nun umfangreiche Verhaftungen in den Reihen seiner politischen Gegner vornehmen lassen wird. Auf die Parlaments- und Präsidentenwahlen am 5. November dürfte dies erhebliche Auswirkungen haben. Ein Ausnahmezustand wird entgegen ersten Vermutungen jedoch nicht verhängt. Der Parlamentsvorsitzende forderte die Abgeordneten auf, „weiterzuarbeiten, als sei nichts geschehen“. Wie geplant, solle das Wahlgesetz beraten werde. Die Verfassung soll nun am Dienstag unterzeichnet werden. Ihre Verabschiedung gilt als Sieg für Schewardnadse in der Auseinandersetzung mit den abtrünnigen Abchasen, da dadurch die Zentralgewalt gestärkt wird. Durch sie wird ein Präsidialsystem mit weitreichenden Vollmachten für den Präsidenten eingeführt. Noch gestern kündigte Eduard Schewardnadse seine Kandidatur für das Präsidentenamt an. Vor Tausenden von Anhängern in Tbilissi sagte er, der Bombenanschlag hätte der „Beginn eines Staatsstreichs“ werden können. Er werde den Kampf gegen die „dunklen Kräfte“ bis zum „siegreichen Ende“ führen.

Die Erleichterung darüber, daß der Anschlag mißglückte, ist in Tbilissi groß. Nicht auszudenken, so heißt es, wenn Schewardnadse tatsächlich getötet worden wäre. „Jenseits des jetzigen Staatschefs“, meint ein UNO-Vertreter, „wartet in Georgien nur noch das völlige Chaos.“

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