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Kriegsbräute, Kriegsbeute

■ 50 Jahre Kriegsende: Eine Ausstellung im Charlottenburger Heimatmuseum thematisiert, "Worüber kaum gesprochen wurde: Frauen und alliierte Soldaten"

Liebe, Sex und Gewalt zwischen männlichen Siegern und weiblichen Besiegten – selbst 50 Jahre nach Kriegsende ist das immer noch ein Tabuthema. „Viele Zeitzeuginnen reden bis heute nicht über persönlichen Erfahrungen, nicht einmal in ihren Familien, geschweige denn in der Öffentlichkeit“, weiß Birgit Jochens, die Leiterin des Charlottenburger Heimatmuseums. Dennoch konnten sie und ihre Mitarbeiterinnen 14 Frauen ausfindig machen, die ihre von Vergewaltigung bis zu romantischer Liebe reichenden Erlebnisse schilderten. Die auf helle Leinwandtücher geschriebenen Zitate dieser anonymisierten Zeuginnen bilden den weißen Faden der Sonderausstellung, die am Sonntag im Charlottenburger Museum eröffnet wird. Der bezeichnende Titel: „Worüber kaum gesprochen wurde: Frauen und alliierte Soldaten“.

Einige der Frauen saßen allerdings schon einmal vor einem Mikrofon: in Helke Sanders Film „BeFreier und Befreite“, der zum ersten Mal 1992 auf der Berlinale gezeigt wurde. „Wir haben damals für diesen Film eine Reihe von Zeitzeuginnen vermittelt“, erzählt die Museumsleiterin, „und wollten wissen, was danach passierte.“ Diese „Art Erbschaft“ sei ein Anlaß gewesen, just dieses heikle Thema auszuwählen. Helke Sanders' Film über die Massenvergewaltigung bei Kriegsende leistete damals eine ähnliche Pionierarbeit wie jetzt, in kleinerem Maßstab, der Kreis der Ausstellungsmitarbeiterinnen.

Der Filmemacherin ging es um die verdrängte Gewalt gegen Frauen, die Charlottenburger Recherchegruppe hat das Verhältnis zwischen deutschen Frauen und alliierten Soldaten in alle möglichen Richtungen ausgeleuchtet: Vergewaltigungen, Abtreibungen, Zweckverhältnisse, Liebesgeschichten, Eheverbote, Besatzungskinder. Viele der dabei zusammengesammelten Materialien sind neu oder zumindest wenig bekannt.

Aus vielen der ausgestellten Behördendokumente spricht die Scham, der Ekel, die Abscheu, sich dieses Themas annehmen zu müssen. Die Sitzung des neugegründeten Berliner Magistrats am 25. Juni 1945, in der die 21 männlichen Magistratsmitglieder das Problem Schwangerschaftsabbruch nach Vergewaltigung ansprachen, war selbstverständlich „vertraulich“. Auch die vereinbarte Strategie lief darauf hinaus: Totschweigen. Pfarrer Heinrich Grüber, damals Beauftragter der Evangelischen Kirche im Magistrat, erinnerte sich in seinen Memoiren an eine seltsame Koalition: „Als ich ... mit Professor Ferdinand Sauerbruch die Zulassung der ethischen Indikation [Möglichkeit der Abtreibung nach Vergewaltigung, d.Red.] beantragte, fiel unser Antrag gegen die Stimmen der Kommunisten und Katholiken durch.“

Die Besatzungsmächte versuchten jeglichen Kontakt zwischen „ihren“ Soldaten und den deutschen „Frolleins“ zu verhindern, besonders strikte „Fraternisierungsverbote“ und „Heiratsverbote“ galten für die sowjetischen und die amerikanischen Soldaten. Dennoch wurden zwischen 1945 und 1955 insgesamt 67.753 aus solchen unerlaubten Kontakten entstandene Kinder in Deutschland geboren. Ute Scheub

Ausführlicher Bericht auf der Frauenseite am nächsten Donnerstag.

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