Last minute für Azubis

■ Regierung bietet zum Beginn des Ausbildungsjahres doch noch Notprogramm mit 14.500 überbetrieblichen Plätzen an

Berlin (taz) – Der Lehrstellen- Countdown ist zu Ende: Am Mittwoch abend, zwei Tage vor dem Beginn des neuen Ausbildungsjahres, einigten sich Kanzleramtsminister Friedrich Bohl und Vertreter der neuen Länder noch schnell auf ein Notprogramm für den Osten. Damit sollen 14.500 überbetriebliche Lehrstellen geschaffen werden. Die Kosten von rund 870 Millionen Mark wollen sich der Bund und die Länder teilen. In dem Programm soll ein Teil der im Osten noch nicht vermittelten 55.000 BewerberInnen untergebracht werden. Das lange Warten der Regierung hat Methode: Viele tausend frustrierte BewerberInnen sind inzwischen schon in schulische Lehrgänge ausgewichen und erleichtern die Statistik.

Das Last-minute-Programm der Regierung kann wie alle überbetrieblichen Ausbildungsgänge allerdings nur ein Notnagel sein, da sind sich Gewerkschaften und Regierung einig. „Es fehlen die Anbindung und die Praxis im Betrieb“, bemängelt Lothar Judith, Leiter der Abteilung Jugend im Vorstand des DGB. Im Osten sind mehr als die Hälfte der Lehrlinge in überbetrieblichen Projekten Mädchen. Nach einer Befragung des Nürnberger IAB-Instituts wurden 53 Prozent der Absolventinnen überbetrieblicher Lehrgänge später arbeitslos, bei den männlichen Absolventen 20 Prozent.

Im Westen sieht die Lehrstellensituation rein rechnerisch besser aus als in den neuen Ländern. BewerberInnen und Angebot sind hier aber häufig nicht kompatibel: Ende Juli standen noch 110.000 BewerberInnen auf der Liste. Ihnen standen zwar 117.000 Lehrstellen gegenüber, viele davon aber in eher ungeliebten Berufen mit schlechter Bezahlung, ungünstigen Arbeitszeiten und zweifelhaften Berufsaussichten. Die Gesamtstatistik darf auch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die regionalen Unterschiede beträchtlich sind.

Glücklich die jungen Leute, die in den südbayrischen Städten Weilheim oder Pfarrkirchen leben. Denn dort können Lehrstellensuchende zwischen zwei Angeboten wählen, statistisch zumindest. Pech dagegen, wer anderswo auf der Suche ist. In 91 der 146 Arbeitsamtsbezirken stehen den Ausbildungsplätzen mehr Bewerber gegenüber, als es Plätze gibt. In zwei Ostberliner Bezirken müssen sich gar vier beziehungsweise fünf Jugendliche um einen Ausbildungsplatz streiten. Längerfristig setzen die Gewerkschaften auf eine Neuordnung des Ausbildungssystems, um mehr betriebliche Stellen zu schaffen. Der DGB befürworte eine Umlagefinanzierung, so Judith. Danach sollen alle Betriebe in einen Ausbildungsfonds einzahlen, aus dem nur diejenigen Geld zurückerhalten, die auch tatsächlich ausbilden.

Während die SPD in eine ähnliche Richtung tendiert, lehnt die Regierungskoalition eine Umlagefinanzierung nach wie vor ab. Man setze weiter darauf, daß die Wirtschaft bei den betrieblichen Ausbildungsplätzen soviel leiste wie nur irgend möglich, betonte Bohl am Mittwoch abend. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), Hans-Peter Stihl, warnte davor, Panik zu machen. Er betonte, die Wirtschaft habe ihre Zusage über 600.000 Ausbildungsplätze eingehalten.

Die Ausbildungssituation sei schwierig, weil der relativ große Arbeitslosenmarkt schon für ein großes Angebot an Fachkräften sorge, sagte Dr. Laszlo Alex vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Hinzu komme, daß im Osten eine Ausbildungstradition weitgehend fehle. „Viele wissen einfach nicht, daß es auch etwas bringt, auszubilden“, so Alex. mig/BD