Eine Spielwiese für die Frauenorganisationen

■ Mit Demonstrationen von amnesty international und unter den Augen Tausender PolizistInnen in Uniform und zivil hat in Huairou das Weltfrauenforum begonnen

Huairou (taz) – Über 17.000 Frauen aus aller Welt kamen gestern im Pekinger Vorort Huairou zusammen, wo das alternative Forum der UNO-Frauenkonferenz seine Tore öffnete. Der erste Tag der Veranstaltung, die bis zum 8. September geht, war prall gefüllt mit Programm. In Zelten und Schulräumen, Lagerhallen und dem zum Plenarsaal umgebauten Kino fanden gleichzeitig rund 135 Workshops, Diskussionen und Vorträge von Frauen aus allen Ecken der Welt statt. Zur Auftaktveranstaltung drängten sich über dreitausend Frauen in den viel zu kleinen Plenarsaal, wo unter anderem die palästinensische Politikerin Hanan Ashrawi und Birmas Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi angekündigt waren. Letztere hatte allerdings nur ein Video geschickt.

Nach bisherigen Informationen der Organisatorinnen waren bis zum Vortag etwa 17.000 Frauen zum Forum angereist, über 30.000 hatten sich angemeldet. Darunter 4.500 aus Afrika, 16.000 aus den USA und Europa, 12.000 aus Asien (davon 6.000 aus Japan), 2.000 aus Lateinamerika und knapp 1.000 aus Westasien.

Inmitten des Gewühls vor dem Plenargebäude fiel denn auch kaum auf, daß eine Gruppe von Mitgliedern der Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) mit Postern und bemalten T-Shirts für die Freilassung politischer Gefangener aus aller Welt – auch China und Tibet – demonstrierte. Ein amnesty-Mitarbeiter berichtete, daß die Gruppe unbehelligt und ganz offen von ihrem Hotel auf das Gelände des Forums marschiert war. Sie wurde allerdings sehr aufmerksam von den zahlreich vertretenen PolizistInnen in Zivil und Uniform beobachtet, die sich ihre Anweisungen per Funkgerät holten.

Erst am Tag zuvor hatten die chinesischen Behörden verfügt, daß Demonstrationen in Huairou nur auf einem vorgesehenen Platz stattfinden – und sich auch dann keinesfalls gegen chinesische Politiker richten dürfen. Dies hatte die Vorsitzende des Forums, Irene Santiago, scharf zurückgewiesen. „Das gesamte Forum ist offen für freie Meinungsäußerung“, betonte sie gestern erneut in Huairou. Sie verwies auf ein Übereinkommen mit der chinesischen Regierung, daß auf dem Gelände des Forums die Regeln der UNO gelten sollen. Just die UNO allerdings hatte sich auf Druck der chinesischen Regierung schon im Frühjahr darauf eingelassen, tibetischen Organisationen den Zugang zu der Konferenz zu verwehren. Inzwischen sind nun doch neun Tibeterinnen aus den USA und Kanada in Peking angekommen. Sie wollen explizit Menschenrechtsverletzungen im chinesisch besetzten Tibet anprangern.

In einem Gespräch mit der taz erklärte der Generalsekretär von amnesty international, Pierre Sané, seine Organisation bemühe sich weiterhin, die chinesische Öffentlichkeit zu informieren. Da die offiziellen Medien aber nicht über die Kritik an den Menschenrechtsverletzungen berichten, werde ai versuchen, „andere Wege“ zu gehen, um dies zu erreichen. „Wie wir das tun können, steht noch nicht genau fest“, sagte Sané gestern in Huairou. Am Nachmittag wollte ai auf dem Forum einen Videofilm über politische Gefangene zeigen, darunter auch eine Chinesin und eine Tibeterin.

Das ganze Gelände war streng abgeschirmt. Dabei waren die Sicherheitsvorkehrungen bisweilen schlicht komisch: So mußte man am Eingang durch Metalldetektoren gehen, wie sie in Flughäfen üblich sind. Ein ununterbrochener Strom von Besucherinnen mit vollen Taschen und Rucksäcken drängte gestern durch diese Tore und verursachte ein aufgeregtes Dauerpiepsen, so daß die völlig überforderten Sicherheitsleute nur noch genervt den Dingen ihren Lauf lassen konnten.

Weniger komisch ist, daß das Gelände von Polizei nur so wimmelte und daß der Zugang für interessierte Chinesinnen rigoros beschränkt ist. Huairou ist von Peking aus so mühsam zu erreichen, daß die Hoffnung vieler Gruppen, auf die offizielle UNO-Konferenz einwirken zu können, enttäuscht werden muß. Es scheint, als ob die Strategie der chinesischen Regierung aufgehen kann: in Huairou eine Spielwiese für die Frauenorganisationen schaffen und sie dort beschäftigt halten. Jutta Lietsch