: Gräfliche Em(m)anzen
■ Ein neuer Bremen-Stadtführer spürt Stationen weiblicher Geschichte auf
Bekannte Bremerinnen? Den meisten fällt da wohl als erstes Gesche Gottfried ein, manchen vielleicht noch Gräfin Emma, aber Betty Gleim, Verena Rodewald und Ottilie Hoffmann? Ein kleines Büchlein aus dem noch jungen KSZB-Verlag bringt jetzt Licht in die Finsternis der weiblichen Geschichte. Darin erzählt Christine Holzner-Rabe „Von Gräfin Emma und anderen Em(m)anzen“ und der Untertitel „Ein Spaziergang zur Frauengeschichte durch die historische Innenstadt Bremens“ erklärt auch die Gliederung.
Es ist eben kein Lese- sondern ein Spazierbuch, mit dem man/frau sechszehn ausgewählte Stationen in der Innenstadt erwandern kann. Los geht–s bei Mudder Cordes in der Knochenhauerstraße. Die Bremerin (1815-1905) war durch ihren „Grünkramladen“, der von Esel „Anton“ gezogen wurde, stadtbekannt. Zur Belohnung wurde „Anton“ dann nach dreißig Dienstjahren vom Überseemuseum ausgestopft. Mudder Cordes steht für viele Witwen, die im letzten Jahrhundert ohne soziale Absicherung versuchen mußten, für sich und ihre Kinder selbst zu sorgen. Wie schwierig das war, zeigt auch die Tatsache, daß Metta Cordes vier ihrer fünf Kinder ins Waisenhaus geben mußte. Der Hinweis der Autorin, daß sie heute nur ein paar Schritte gehen müßte, um in der „Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau“ Rat und Hilfe zu bekommen, wirkt oberlehrerinnenhaft und realitätsfremd, denn erstmal stände sie wohl in der Warteschlange beim Sozialamt.
Alleinstehende Frauen waren im letzten Jahrhundert übrigens keine Seltenheit. An der zweiten Station, dem Frauen- Erwerbs- und Ausbildungsverein in der Carl-Ronning-Straße, erfahren die SpaziergängerInnen, daß im Jahre 1867 nicht einmal die Hälfte der Bremerinnen im Alter zwischen 16 und 50 Jahren verheiratet waren. Im Gegensatz zu heute hatten die weiblichen Singles damals jedoch fast keine Ausbildungsmöglichkeiten.
In kurzen Portraits stellt Christine Holzner-Rabe drei Bremerinnen vor, die sich in den letzten 200 Jahren für die Mädchen- und Frauenbildung einsetzten. Eine davon ist Betty Gleim (1781-1827). Selbst Lehrerin aus großbürgerlichem Hause, gründete sie bereits 1806 die erste „Lehranstalt für Mädchen“. Daneben verfaßte sie mehrere pädagogische Schriften, aber ausgerechnet ihr „Bremisches Kochbuch“ wurde ihr bekanntestes Buch.
Der Weg geht weiter, vorbei an der Liebfrauenkirche, wo die Autorin kurz über Marienkult und Hexenverfolgung referiert, dann zum Spuckstein, denn die Geschichte der berühmt-berüchtigten Gesche Gottfried muß erzählt werden, und schließlich zum Roland, wo der eingemeißelte Krüppel zu seinen Füßen an die Großzügigkeit der Gräfin Emma von Lesum erinnert. Immerhin Bremens einzige Heilige.
Beim Blick auf den Senat erinnert die Autorin an frühe Bremer Politikerinnen, z.B. an Verena Rodewald und Auguste Kirchhoff. Der Weg führt dann in die Böttcherstraße, zu Bremens Vorzeige–Künstlerin Paula Becker-Modersohn. Ihr widmet die Autorin ein vergleichsweise umfangreiches Kapitel, was vielleicht auf eine persönliche Vorliebe schließen läßt. Geht man die enge Gasse weiter, kommt man zum Roselius-Haus – und damit zur einzigen Schwachstelle im Buch. Mit Rebecka Pennmeyer hat Christine Holzner-Rabe eine Frau in die Reihe der „Em(m)anzen“ aufgenommen, deren einziger Verdienst darin besteht, Ludwig Roselius ihr Haus verkauft zu haben. Auch wenn sie betont, daß Rebecka Pennmeyer „den kulturellen Wert Ihres traditionsreichen Hauses“ erkannte und „für seine Erhaltung aktiv wurde“, ist sie zwischen den Frauen, die Bremens Politik und Geschichte aktiv mitbestimmten, einfach fehl am Platze.
Ansonsten sind die Frauenfiguren gut ausgewählt, zu den „Em(m)anzen“ aus Kunst, Politik und Bildung gesellen sich ganz nahtlos Mudder Cordes und Fisch-Lucie. Der Weg durch die Innenstadt ist gut beschrieben und die einzelnen Beiträge sind auf das Wesentliche reduziert, ohne dabei trocken oder langweilig zu sein. Abgesehen von der kleinen Kritik ist es insgesamt ein gelungenes Buch, mit dem man/frau einfach mal losspazieren sollte. Gudrun Kaatz
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