Straftäter zuerst

■ Die Innenverwaltung will noch im September Vietnamesen abschieben

Die Ausländerbehörde wird die ersten Vietnamesen abschieben, noch bevor am 21. September das sogenannte Rückführungsabkommen zwischen der Bundesrepublik und Vietnam in Kraft tritt. „Straftäter nimmt Vietnam vorab zurück“, erläuterte gestern Innenstaatssekretär Kuno Böse (FDP) im Ausländerausschuß des Abgeordnetenhauses. Eine Liste mit 162 vietnamesischen Straftätern werde derzeit von den vietnamesischen Behörden geprüft. „Wir erwarten die Liste demnächst zurück, so daß noch im September die erste Rate bzw. Gruppe aus Berlin abgeschoben werden kann.“

Von den Abschiebungen sind nur Vietnamesen betroffen, die keinen Aufenthaltsstatus haben. Zumeist sind dies abgelehnte Asylbewerber oder illegal Eingereiste. Nach Schätzung der Ausländerbeauftragten Barbara John müssen etwa 1.200 Personen mit ihrer Abschiebung rechnen. Nicht betroffen sind die 2.280 Vietnamesen, die eine Aufenthaltsbefugnis haben. Bei ihnen handelt es sich vor allem um ehemalige Vertragsarbeiter.

Zu den Straftätern zählen auch die wegen Bagatelldelikten verurteilten Zigarettenhändler. Sie werden auch dann abgeschoben, wenn ihr Ehepartner aufenthaltsberechtigt ist, erläuterte Innensenator Dieter Heckelmann (CDU). Die Betroffenen müßten sich dann aus Vietnam um eine Familienzusammenführung bemühen. Der ausländerpolitische Sprecher der SPD, Eckhardt Barthel, kritisierte, daß für diesen Personenkreis keine menschlichere Lösung gefunden worden sei. Er zeigte sich auch erstaunt, daß Staatssekretär Böse „soviel Vertrauen in die Zusicherung eines kommunistischen Regimes habe, es werde die Menschenrechte einhalten“. Wie Böse dagegen ausführte, enthält der Vertrag eine Amnestie für Republikflüchtige. Gespräche mit Vertretern des UNO-Flüchtlingskommissars in Hanoi hätten zudem ergeben, daß bei der Rückführung von über 100.000 Vietnamesen Ländern keine Menschenrechtsverletzungen festgestellt werden konnten.

„Die Ausländerbehörde erstellt seit längerem Listen, damit Berlin sein Kontingent voll ausschöpfen kann“, sagte Böse weiter. Laut Vertrag können in diesem Jahr bundesweit 2.500 Vietnamesen abgeschoben werden. Dorothee Winden