: "Kruzifix! Bayern ohne Balkensepp!"
■ Diese taz-Überschrift vom 11. August sorgt noch immer für Aufregung - Teil 1 der LeserInnenbriefe zum Thema
Worüber regt Ihr Euch eigentlich auf? 1. „Balkensepp“ sagen die bayerischen Katholiken oft selbst, 2. was das Urteil betrifft, so ist das ja wohl längst überfällig, wir leben ja wohl doch in in einem laizistischen Staat.
Liebe taz, schreibt doch mal zur ausgleichenden Gerechtigkeit einen ähnlichen Artikel über jüdische oder islamische Symbole. Dann könntet Ihr gleich einen Sonderband von LeserInnenbriefen herausbringen, die Euch des Antisemitismus, Rassismus, Ethnozentrismus etc. bezichtigen.
Wäre doch mal einen Versuch wert, die satirische Toleranzgrenze der ach so politisch Korrekten (oder muß man jetzt sagen: religiös korrekten?) auszutarieren. Katrin Wollschläger
Wenn Repräsentanten der bayerischen Regierung und des Klerus zur Nichtbeachtung, ja sogar zum Boykott eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aufrufen, dann ist dies verfassungswidrig. Die vermeintliche Werte-Erosion, die am Urteil, das lediglich die Grundgesetzgarantie einer Trennung von Kirche und Staat bestätigt, kritisiert wird, findet sich nicht im Urteil des BVerfG, sondern in den Köpfen der Kritikaster. Viele Bürger werden sich fragen, ob wir inzwischen von Verfassungsfeinden regiert werden.
Anstatt mit postpubertärem Trotz in Bayern ein neues Gesetz durchzupeitschen, das wie die Biergartenverordnung wieder durch Richterspruch fällt, bleibt es Bayern unbenommen, sich nach Ausschöpfung bundesdeutscher Gerichte an den Europäischen Gerichtshof zu wenden. [...]
Um aber den Streit zu beenden, wäre es erwägenswert, ob nicht anstelle der konsensunfähigen Kreuze künftig Hufeisen in bayerischen Schulen aufgehängt werden sollten; Hufeisen sind Glücksbringer, das Kreuz hat unserem Land neben (Religions-)Kriegen schon manch andere Misere gebracht. [...] Dr. Kurt F. Schobert
Vorsitzender der Initiative
für ethische Kontrollen
Das Urteil des Verfassungsgerichts, demzufolge in staatlichen Schulen keine Kruzifixe aufgehängt sein dürfen, unterstreicht die Trennung von Staat und Kirchen, wie sie zu Recht im Grundgesetz gefordert wird. Diese Trennung sollte allerdings auch in anderen Bereichen vollzogen werden. So unterstützen die beiden großen Kirchen die Bundeswehr durch die Militärseelsorge und machen sich damit zu Handlangern des Militärs. Diese unselige Verbindung sollte genau so aufgegeben werden wie z. B. der Kirchensteuereinzug durch den Staat. Je unabhängiger die Kirchen vom Staat sind, desto freier sind sie in ihrem Denken und Handeln. Diese Freiheit, zu der Jesus Christus die Menschen befreien wollte (Brief an die Galater 5,1), sollte den Kirchen wichtiger sein als irgendwelche Privilegien. Joachim Fischer
Hallöchen! Die taz vom 24. 8. 95 liegt vor mir, und ich kann es kaum glauben, wie viele sich über Euer „Balkensepp“-Titelbild aufregen.
Die taz wäre nicht die taz, wenn sie sich nicht das ein oder andere Mal satirisch mit einem Thema befaßt. Also, ich habe mich amüsiert. Das wollte ich noch mal schreiben!
Und ich wette mit Euch: Alle, die sich jetzt beschweren, haben sich bei dem Film „Das Leben des Brian“ köstlich amüsiert und sich lachend auf die Schenkel geklopft. Also, ich will nicht ohne Satire leben. Hört ja nicht auf damit! Versprochen?Gabi König
Ich kündige mit sofortiger Wirkung mein Abo der taz. Es ist für mich maßlos, was Sie sich in sprachlicher Hinsicht leisten. Die Sprache schafft Wirklichkeit und verrät den Menschen. Ihre Überschrift „Kruzifix! Bayern ohne Balkensepp“, ist nicht nur Blasphemie und Beleidigung von gläubigen Menschen, sondern Dekadenz. Norbert Kaduk
Mir reicht es, was ich in den letzten Jahren an journalistischem Unvermögen aus Eurem Hause erleben mußte. Insgesamt habe ich die taz immer gern gelesen: flotte Schreibe, originelle Überschriften, Mut zu kontroverser Diskussion und immer noch ein Hauch anders als die anderen Tageszeitungen. Da konnte ich es ab und an verschmerzen, daß über Christen und ihre Kirchen weniger nett und zum Teil unbedarft berichtet wurde. Für eine Satire sind wir immer gut, ich weiß. Aber was in den letzten beiden Wochen an dummen und schlecht recherchierten, vorurteilsgeleiteten Artikeln in Eurem Blatt zu lesen war, läßt mich den Kampf um Verständnis für Eure Kirchen- Ignoranz aufgeben. „Balken- Sepp“ und „Latten-Gustl“ sind ja hinreichend gewürdigt worden und zeigen Eure Verbundenheit mit der Welt der Schülerzeitungen. Aber dann am 15.8. kommt es dicke: die Kirche und ihre Privilegien. Ich habe es als Evangelischer satt, immer auch für meine Stiefbrüder und -schwestern, die Katholiken, Prügel einstecken zu müssen. [...] Jens Haupt, Pfarrer
Also, wenn Euch 'ne Pastorin auf LeiderLeider kürzt – geh' ich von meinem LeiderLeider auf den Politischen hoch. Ich hab' Euch ja immer für 'ne evangelische Kirchentagszeitung gehalten – und tu's auch noch –, aber so gelacht und gefreut wie über die Schlachtzeile hab' ich mich schon lange nicht mehr. Die ganzen Heuchler, welche wohl immer unter dem Schirm die im Regen stehenden beweinen ... [...] M. Jung
In jenem deutschen Freistaat, wo selbst die Eichhörnchen schwarzes Fell haben, reizte mich lange schon das Wahrzeichen einer bestimmten Organisation in öffentlichen Einrichtungen. Dieses Kreuz war stets das äußere Kennzeichen in der gesamten Historie dieser Organisation für bisher unerreichte Grausamkeiten, Unterdrückung, Plünderung und Massenmord. Ein solches kleines Symbol nun findet sich in anderer Form in bestimmten Beiträgen der taz. Ich meine die Zeitangaben vor bzw. nach Chr. Ich hoffe, daß der Vatikan nicht maßgeblich an der taz beteiligt ist. Nur Mut – das BVG steht hinter Ihnen. Als interessiertem taz-Leser würde mich eine zeitgemäßere Form der historischen Zeitangabe spontan zum taz-Abo begeistern. Klaus Kaeber
[...] Also mir ist das alles ziemlich wurscht, bis auf zwei Sachen: 1. daß unser juristisch durchaus vorgebildeter Ministerpräsident das Urteil bewußt falsch interpretiert, das Volk aufhetzt und zum Verfassungsbruch aufruft.
2. daß die taz den schönen Begriff „Balkensepp“ ausgegraben hat. Als Bayer und taz-Leser der ersten Stunde freut mich das einfach. Und so böse haben wir das mit dem „Balkensepp“ nie gemeint, wie einige Leser meinen, daß es gemeint wäre. Ich bin übrigens in der Nähe von Altötting aufgewachsen. Gerhard Metzger
Da mache ich mir doch sehr viele Gedanken und frage mich: Wo kommen soo viele Christen mit einem Mal her? (Angeblich die Mehrheit.) In der letzten Zeit wurden viele hilfesuchende Ausländer in Deutschland ihren Schlächtern ausgeliefert, zum Foltern und Umbringen. Kein (Christ) rührt sich, aber es gab einzelne Menschen, und daher weiß ich das!
[...] Nach Gottes Worten oder Niederschrift der Bibel kann es sich hier um ein klares Götzenbild handeln! Jene (Christen) sollten lieber eine Kanone in die eigenen Räume hängen, denn die wurden schon reichlich gesegnet! H. Remmp
Bislang hatte ich noch nie die Energie, einen Leserbrief zu schreiben, aber jetzt ist es soweit. Was ich in den letzten Tagen an Leserbriefen in der taz zur „Balkensepp“-Schlagzeile gelesen haben, erfüllt mich mit Entsetzen. So viel frömmelnde Humorlosigkeit hätte ich überall sonst erwartet, nur nicht unter taz-Lesern. Die ganze Bundesrepublik fällt über das Bundesverfassungsgericht her, selbst sonst kritische Medien kommen einem angesichts der religiösen Empörung plötzlich merkwürdig zahm und zahnlos vor, überall wird nur noch ganz leise aufgetreten. Man fühlt sich ja schon völlig alleine auf der Welt, bei soviel religiösem Eifer und Fundamentalismus. Und dann schlägt man die taz auf und hat endlich mal wieder was zu lachen. Eine Überschrift, die ironisch, sarkastisch und mit Wortwitz den Kern trifft. Gerade weil der taz nichts heilig ist und sie die humorvollsten Schlagzeilen der bundesdeutschen Presselandschaft hat, lese ich sie ja täglich. Wenn das nicht einmal mehr in der taz erlaubt sein soll, dann frage ich mich, wo sonst. Wer Satire nicht verträgt, muß eine andere Zeitung lesen. Ich hoffe jedenfalls, daß Ihr Euch nicht ins Bockshorn jagen laßt und weitermacht wie bisher! Tom Freudenthal
All den „herzensgütigen“ Christenmenschen zu empfehlen, über die Respektlosigkeit der taz gegenüber den antiquierten hölzernen Fetischen in Bayerns Schulklassen zu schmunzeln oder gar einfach mal drüber zu lachen, dürfte vergebliche Nächstenliebesmüh sein.
Die meisten Leserbriefe machen klar, daß es um die Demonstration von Allmachtsansprüchen geht. Und wo Macht im Spiel ist, ist kein Platz für Überzeugung oder gar Humor. Die „frohe“ Botschaft muß empfangen werden: Unser Herr ist für Euch gestorben, also habt gefälligst Schuldgefühle. Auf daß Ihr ängstliche, manipulierbare und Genuß wie freiheitlichem Geist gegenüber verschlossene Wesen werdet. Ich wünschte, daß einige der Verbiesterten und schwer Empörten sich besinnen und ein wenig an der Freiheit der Anderslachenden schnuppern würden. Hans-Hermann Hirschelmann
Voll daneben und voll rein in den Fettnapf, Gratulation!! Ich danke Gott dafür, daß ich die Zeitung abonniert habe, die sich so etwas zu schreiben getraut. Seither lese ich auch wieder die Leserbriefe, die bisweilen von larmoyanter Unbefindlichkeit durchtränt waren. Mein Bruder und ich nannten IHN übrigens Fritzchen, weil Opa uns nur fünf Mainzelmännchen schenkte und ER ersatzweise als sechstes entkreuzigt wurde. Wenn ich den PC-Käse lesen will, dann kaufe ich mir eine andere Zeitung, macht Ihr bitte so weiter. Ein Negerkuß bleibt ein Mohrenkopf (Südbaden), da ändert auch der eierschaumgefüllte Schokohaufen nichts daran. Ihr dürft auch gerne mal das Wort „Krüppel“ verwenden (ich bin selbst Rollstuhlfahrer), meinen Segen habt Ihr. Ego vobis (?) absolvo. Mit freundlichen Grüßen Sigmund Gassner
Es ist ein Kreuz mit diesem Kreuz, die Diskussion will kein Ende nehmen. Jegliche Aufgeregtheit über das Kruzifix-Urteil wäre aber unnötig – bei emotionsloser sachlicher Betrachtung. Ist es aber nicht bedenklich und traurig, wenn sich Gläubige wegen des Symboles derart herumstreiten und Andersdenkende sogar mit Mord drohen – wie bereits geschehen? Tragen hierfür nicht gerade jene christlichen Politiker, als Vorbilder ihres Volkes, die Verantwortung, wenn sie ohne Not das Urteil unseres höchsten Gerichts öffentlich anprangern?
Nicht nur weil niemand von uns sagen kann, ob Jesus am Kreuz oder „Pfahl“ (Mat. 20; Mar. 15; 25) litt; für den wahren Glauben gibt's kein „Symbol“ – schon gar nicht für den wahren Gott noch seinen Sohn Jesus Christus, noch für seinen Leidensweg – es schürt nur unnötigerweise falsche Emotionen, wie dieser ganze Fall ja beweist. [...] BernÛrd Schmidt
Zitat Badische Neueste Nachrichten: „Huber (CSU) betonte: ,Amtlich ist das Urteil. Und das ist mit der Äußerung von Henschel nicht vom Tisch.‘ Die ,Staats‘-Regierung halte deshalb am geplanten Gesetz fest, mit dem die Kruzifixe in den Schulen sichergestellt werden sollen.“
Läßt sich Christus sicherstellen? Das wurde vor beinahe 2.000 Jahren von den damaligen Kirchentreuen schon einmal probiert. Ja, am Kreuz wurde er sichergestellt, fixiert, deshalb „Kruzifix“. Markus Duelli, Stuttgart
Der „Balkensepp“-Aufmacher war der beste seit dem 8. März. Weiter so! Auch wenn diverse Leute sich in ihren „religiösen Gefühlen“ verletzt fühlen. Jahrtausendelang haben ReligionsträgerInnen aller Schattierungen die ganze Welt terrorisiert und tun es immer noch. Wer auf ihre vorgeblichen Gefühle – mit deren Behauptung sie ja nur manipulieren wollen – keine Rücksicht nimmt, muß ihrer Meinung nach bestraft werden. Wobei die Drohung mit Entzug des taz-Abos eine der harmlosesten Varianten ist.
Die Gläubigen aller Richtungen (gilt auch für AnhängerInnen jeglicher Ideologien) sind schlichtweg neurotisch. Ihre „religiösen Gefühle“ sind – soweit sie nicht vorsätzlich zu Machtzwecken vorgetäuscht werden – im Prinzip nur abgewehrte Befreiungswünsche. Mit der Folge allerdings, daß immer die anderen – die Nichtgläubigen – sich ändern sollen, und wenn die sich nicht bekehren lassen, müssen sie (nach der Vorstellung der jeweiligen FundamentalistInnen also der Schwerstkranken) eben gesteinigt oder mindestens mit Scheiße bekippt werden. (Die Versuchung exorzieren, damit die innere Abwehr nicht schwach wird.) Die Religiösen bedürfen nicht der Schonung (das wäre nicht einmal ein Freundschaftsdienst), sondern der Behandlung. Die müssen sie allerdings selber wollen. Solange das nicht der Fall ist, will ich wenigstens über sie lachen. Hartmut Behrens
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