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Durststrecke bis zur Reform der Arbeitsgesetze

■ Verzweifelt wartet Südafrika auf ausländisches Kapital, doch vielen Investoren ist die wirtschaftliche Lage noch zu unsicher und der ANC nach wie vor suspekt

Eine frohe Botschaft flimmerte am Samstag abend in den Hauptnachrichten über Südafrikas Fernsehschirme. Sie betraf aber nicht etwa den Besuch Helmut Kohls, der gerade im Landeanflug auf Kapstadt war, sondern kam von höherer Stelle: Papst Johannes Paul II., der am kommenden Wochenende erstmals südafrikanischen Boden küssen wird, versprach eine Friedensbotschaft für die Katholiken am Kap. Während der bevorstehende Papstbesuch seit Tagen große Beachtung findet, wird die Visite des deutschen Bundeskanzlers bislang eher am Rande abgehandelt.

Die Südafrikaner sind vor allem an den wirtschaftlichen Folgen des Besuchs aus Deutschland interessiert. Gleich bei seiner Ankunft in Kapstadt am späten Samstag abend ergriff der Kanzler die Gelegenheit, neben den Segnungen des deutschen Grundgesetzes die Vorzüge der freien Marktwirtschaft zu preisen. „Die Zukunft gehört dem freien Handel, und das muß auch zwischen Europa und Südafrika der Fall sein“, erklärte er und schickte gleich eine Warnung hinterher. Wegen der bestehenden Unterschiede im ökonomischen Potential könne das aber nicht über Nacht erreicht werden. Südafrika, mit Abstand die potenteste Wirtschaftsmacht in Schwarzafrika, ist auch stark daran interessiert, den Handel mit der EU auszuweiten und setzt auf des Kanzlers großen Einfluß dort.

Deutschland ist für Südafrika nach den USA der wichtigste Handelspartner, und unter den ausländischen Investoren steht Deutschland nach Großbritannien ebenfalls auf Platz zwei. Die deutsche Wirtschaft war von jeher stark in Südafrika engangiert. Firmen wie Daimler-Benz, VW und BMW hatten auch zu Apartheid-Zeiten große Werke, deren Rechtsform allerdings oft so geändert wurde, daß man dem Ruch entkam, die Sanktionspolitik zu unterlaufen. Umgekehrt ist Südafrika für die Bundesrepublik der wichtigste Handelspartner auf dem afrikanischen Kontinent. Heute beschäftigen rund 300 deutsche Firmen in Südafrika mehr als 60.000 Arbeitnehmer, darunter auch viele mittelständische Unternehmen. Hauptexportgut der Deutschen sind nach wie vor Autos, Maschinen und technisches Know-how. Südafrika exportiert vor allem Obst und Gemüse, gefolgt von Erzen und Kohle, nach Deutschland.

Ähnlich wie Berlin und die neuen Länder nach der Wiedervereinigung wartet das „neue Südafrika“ seit dem Machtwechsel fast verzweifelt auf Investoren, die sich bis jetzt aber nur äußerst spärlich einfinden. Zwar fließt wieder mehr ausländisches Kapital ins Land als in den letzten Jahren der Apartheid, große Investoren zögern jedoch. Zu unsicher noch scheint vielen die wirtschaftliche Lage bei einer geschätzten Arbeitslosigkeit von immer noch fast 40 Prozent.

Auch das Mißtrauen gegenüber der ehemals sozialistischen Befreiungsbewegung, die heute an der Regierung ist, ist groß – auch wenn das Wirtschaftsprogramm des ANC kaum noch sozialistische Züge trägt. Außerdem wartet man lieber erst einmal wichtige Gesetzesvorhaben der neuen Regierung ab, wie etwa die Reform der Arbeitsgesetze. Sie sollen die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern grundlegend neu regeln. Auch hier leisteten die Deutschen Beraterdienste. Anfang diesen Jahres reiste Arbeitsminister Norbert Blüm ans Kap, und auch zwischen deutschen und südafrikanischen Gewerkschaften gab es enge Kontakte.

Nach monatelangem, erbittertem Streit zwischen Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Regierungsvertretern wurde erst kürzlich ein endgültiger Kompromiß erzielt, der morgen ins Parlament eingebracht werden soll. Er sieht einerseits völlig neue Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer auf allen Ebenen vor, die es bislang in Südafrika überhaupt nicht gab. Andererseits sollen danach wilde Streiks wie in der vergangenen Woche nicht mehr möglich sein.

Das Streikrecht wird gesichert, soll aber ähnlich wie in Deutschland bestimmten formalen Regeln unterliegen. Der Streik von Tausenden von Krankenschwestern, der in der vergangenen Woche vor allem am Baragwanath-Krankenhaus in der Schwarzensiedlung Soweto bei Johannesburg zu katastrophalen Zuständen führte, wäre nach dem neuen Gesetz illegal. Die Pflegekräfte, die eine Woche lang durch keine Drohung der Welt dazu zu bewegen waren, wieder an die Arbeit zu gehen, forderten 25 Prozent mehr Lohn. Sie hatten aber in diesem Jahr nach Verhandlungen für den öffentlichen Dienst bereits eine Gehaltserhöhung bekommen.

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