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„Exoten“ suchen das Gespräch

■ Katholisches Kirchenvolksbegehren startete am Wochenende in Bremen

Lasset die Schäflein zu mir kommen – aber bitte nicht mit Kugelschreiber und Forderungskatalogen in der Hand. Salopp formuliert ist das die Reaktion der katholischen Amtskirche auf das neueste Mitbestimmungsanliegen ihrer Mitglieder. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Lehmann, lehne das „Kirchenvolksbegehren“, das als Unterschriftensammlung seit Mitte September bundesweit durchgeführt wird, vor allem der Form nach ab.

Diese Ablehnung durch den Oberen hatte sich in den 16 katholischen Kirchengemeinden Bremens bereits herumgesprochen, ehe die rund 60.000 Bremer KatholikInnen überhaupt die Chance gehabt hätten, die Forderungen der Initiative wie Abschaffung des Zölibats oder Zugang zum Priesteramt für Frauen, miteinander zu diskutieren. Denn erst an diesem Wochenende startete das umstrittene Kirchenvolksegehren auch in der Oberviehländer Gemeinde St. Hildegard.

Ohne einen Paukenschlag, dafür mit viel sachlicher Information über das Volksbegehren begann Pfarrer Ansgar Lüttel seinen Gottesdienst in der übervollen Kirche. Draußen lagen schon die Unterschriftenlisten bereit. Der Pfarrgemeinderat von St. Hildegard, in dem zwei Drittel der Aktiven Frauen sind, hatte schließlich einstimmig für die Unterstützung der Initiative gestimmt.

In Oberviehland und Kattenturm spürt man bereits die negativen Folgen allzu konservativer Kirchenpolitik: Seit sechs Jahren nämlich ist Ansgar Lüttel neben St. Hildegard auch für die Gemeinde Herz-Jesu zuständig. Es fehlen Pfarrer.

Ohne Zölibat wäre das womöglich anders, meinen zwei Mitglieder des Pfarrgemeinderats vorsichtig und liegen dabei mit ihrem Pfarrer auf einer Linie: „Jeder weiß, daß das Zölibat nicht theologisch verpflichtend ist“, sagte der zuvor noch von der Kanzel.

Klartext: Die Ehelosigkeit findet in der Bibel keine Begründung. Ließe die Kirche „bewährte Männer“ (viri probati) ins Pfarramt eintreten, könnte er gleich Namen vorschlagen, verrät er im Gespräch. Ohnehin fühle er sich als Katholik in Bremen manchmal wie ein Exot – umso wichtiger sei es ihm, mit der Gesellschaft im Gespräch zu bleiben.

Auch den Ausschluß von Frauen vom Priesteramt stellt Lüttel in Frage: „Warum sollten Frauen nicht wie Männer Jesus repräsentieren können?“, stellte er der Gemeinde einen der „umstritteneren“ Forderungspunkte vor. Doch der Pfarrgemeinderatsvorsitzenden Walburga Brinkmann gefällt die Position des Pfarrers: „Wissen Sie, die Ausgrenzung von Frauen aus diesem Amt verletzt meine Würde als Frau doch zutiefst“, sagt sie draußen am Informationsstand. Sie hofft inständig, daß der Pfarrer recht behält, wenn er sagt, daß das Diakonat für Frauen mittlerweile selbst unter Deutschlands Bischöfen eher Zustimmung finde.

Allerdings – ganz einig sind sich die 16 stadtbremischen Kirchengemeinden nicht. Die Gemeinde St. Johann beispielsweise wird keine Unterschriften sammeln. Und auch Pfarrer Schäferhoff von der St. Bonifatiusgemeinde verspricht sich von der Initiative keine neuen Impulse für das Gemeindeleben. Für ihn ist das Kirchenvolksbegehren „nicht wichtiger als wenn in Amerika ein Sack Reis umkippt“.

Bei solch großen gesellschaftlichen Problemen wie Arbeitslosigkeit oder Ausländerfragen sei diese neue Diskussion eher „Nabelschau“, sagt Pfarrer Schäferhoff. Dennoch, auch auf dem Kirchengelände seiner Bonifatiusgemeinde sammelt „eine Gruppe“ Unterschriften bis Mitte November. ede

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