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„Grob fahrlässig“

■ Wie der Geldsegen aus dem Arbeitsressort über den Sportverein TURA kam / Über den schlampigen Umgang einer Behörde mit Steuermitteln

Der Arbeitssenator hat den Abgeordneten im August einen fingerdicken Bericht vorgelegt. Der hatte im ersten Teil kaum etwas Neues offenbart. Der Skandal um den Bautrupp des Landessportbundes und seinen Leiter Siegfried Jakubowski hat sich ganau so zugetragen, wie in der taz ausgebreitet. Und in der Bewertung bleiben auch genau die altbekannten Differenzen: Das Arbeitsressort bleibt beharrlich auf dem Standpunkt, daß die Behörden alles behördenmögliche getan haben, die schweren Vorwürfe aufzuklären.

Aus politisch-folkloristischen Gründen um einiges interessanter ist da schon der zweite große Abschnitt des Konvuluts. Der beschäftigt sich nämlich mit den Merkwürdigkeiten bei der Abwicklung eines Bauprojekts des Sportvereins TURA, mit freundlicher finanzieller Unterstützung aus der Landeskasse. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Bei der Bewilligung der Gelder, bei der Genehmigung des Baus und bei der Endabrechnung ist so ziemlich jede Vorschrift weiträumig umgangen worden. Und das ist noch die sprachlich geschönte Variante der Bewertung. In einem Entwurf zum Bericht aus dem Arbeitsressort hatte sich das noch um einiges drastischer angehört. Eine Kostprobe: „Bei der Bearbeitung des Zuwendungsantrages für die Umbaumaßnahme TURA sind die haushaltsrechtlichen Bestimmungen (...) grob fahrlässig mißachtet worden!“

Die Geschichte liegt einige Jahre zurück, wirkt aber bis in den aktuellen Skandal hinein. Denn die Hauptperson ist dieselbe: Siegfried Jakubowski. Der hatte damals noch nicht für den Landessportbund gearbeitet. Dessen Bauabteilung gab es 1986 noch gar nicht, als TURA sein Vereinsheim an der Gröpelinger Stapelfeldstraße umbauen wollte. Jakubowski war Chef des Vorgänger-Bautrupps, der war direkt beim Arbeitssenator angesiedelt. Und daraus ergab sich eine wilde Konstruktion. TURA wollte umbauen lassen und schloß mit dem Arbeitssenator einen Kooperationsvertrag. Dessen Bauabteilung sollte das Projekt für TURA abwickeln. Gleichzeitig aber beantragte TURA, wie das bei Sportvereinen üblich ist, Zuschüsse für den Umbau, zum Beispiel beim Sportamt, aber vor allem beim Arbeitssenator. So entstand die Situation, daß der Bautrupp unter Jakubowski gleichzeitig Zuschußnehmer war (im TURA-Auftrag) und Zuschußgeber (als Abteilung des Arbeitssenators). Das Gemuddel war schon vorprogrammiert, und es trat auch richtig ein.

Zuerst sollte der Umbau 200.000 Mark kosten. Die wollte TURA zur Hälfte tragen, die anderen 100.000 sollten vom Arbeitssenator kommen. Die wurden von der zuständigen Deputation auch bewilligt. Keine sechs Wochen später reichte Jakubowski das Geld aber schon nicht mehr. Die Kostenberechnung habe sich verändert, teilte er seinem Arbeitsressort mit. Das solle nochmal 70.000 Mark drauflegen. Und noch ehe die bewilligt waren, zockte Jakubowski auf dem kleinen Dienstweg ab. 19.000 Mark bräuchte er noch dazu, teilte er dem zuständigen Sachbearbeiter mit. Ein Problem: Ab 10.000 Mark muß die Deputation entscheiden. Kein Problem: Der Sachbearbeiter im Hause bewilligt zwei Tranchen von einmal 9.000 und einmal 9.500 Mark. Soll niemand glauben, damit wäre das Ende der fahnenstange erreicht gewesen. Ohne viel Federlesens beschloß die Deputation im Jahr darauf nochmal einen warmen Nachschlag von 50.000 Mark. Als das Projekt beantragt wurde, lagen die Persobnalkosten noch bei 260.000 Mark, am Ende mehr als 638.000 Mark. Der Punkt „Personal“ taucht im Bericht des Arbeitsressorts vorsichtshalber gar nicht erst auf.

Was drinsteht, ist allerdings auch ohne diesen teuren Aspekt schon schlimm genug. Bis zum Schluß war beispielsweise unklar, welchen Eigenbeitrag der Verein eigentlich geleistet hatte. Nach den Deputationsbeschlüssen hätten es eigentlich 153.000 Mark sein sollen, als in diesem Sommer, acht Jahre später, endlich abgerechnet worden war, blieben unter dem Strich lediglich knapp 84.000 Mark. Die TURA-Spitze mit ihrem Vorsitzenden Peter Sakuth, zu der Zeit Innensenator, hatte nämlich ganz schlau getrickst. Der Verein hatte Zuschüsse von anderen senatorischen Stellen beantragt und bekommen – und in der Rechnung mit dem Arbeitsressort als Eigenmittel eingesetzt. Ganz abgesehen davon, daß sich in den Belegordnern von TURA sehr merkwürdige Posten befinden, die so gar nicht dem Bau zugeordnet werden konnten. Zum Beispiel „Nebenkosten“ von gut 10.000 Mark, die an Mercedes geflossen sind.

Wie es im Arbeitsressort in Sachen Bewilligungswesen zugegangen ist, das beweisen die Bewertungen, die nach der Prüfung heute vorgenommen worden sind, wohlgemerkt, die Bewertungen des noch nicht entschärften Berichtsentwurfs. Die Beschreibung eines Verwaltungs-Desasters. Und eines Politik-Desasters obendrein, denn alle Fraktionen saßen mit am Tisch, als der Geldsegen über TURA ausgeschüttet wurde.

Ergebnis des Berichtsentwurfs, das in der Endfassung nicht mehr zu lesen ist: „Das Antrags- und Bewilligungsverfahren ist intern grob fahrlässig bearbeitet worden. Der Verwendungsnachweis wurde nicht fristgerecht vorgelegt. Der Nachweis ist nicht vollständig, er enthält nicht die vorgeschriebenen Angaben und Unterlagen. Der Sachbericht enthält keine ausreichenden Angaben und Erläuterungen für die Beurteilung der zweckentsprechenden Erfüllung. Die technische Diensstelle (derzeit das Hochbauamt) wurde nicht beteiligt. (..) Verträge über die Vergabe von Aufträgen wurden nicht abgeschlossen.“ Und so weiter, und so fort.

Daß dieses Ergebnis acht Jahre nach dem ersten Bewilligungsbescheid auf den Tisch des Hauses kommt, das hat einen schlichten Grund: Jakubowski hatte sich beharrlich und erfolgreich geweigert, die Unterlagen des Projektes so herbeizuschaffen und zu ordnen, daß sie prüffähig gewesen wären – trotz der Interventionsversuche bis hin zum Staatsrat. Im Februar 1995 hatte die zuständige Sachbearbeiterin schließlich die Faxen dicke. Aufgrund des Boykotts Jakubowskis sei ein befriedigendes Prüfergebnis nun nicht mehr zu erreichen, schrieb sie in einen Vermerk. „Die Maßnahme ist hiermit abgerechnet.“ Und so wäre es auch geblieben, wenn nicht just zu dieser Zeit der Jakubowski-Skandal hochgekocht wäre. Aufgeschreckt verfügte Arbeits-Staatsrat Arnold Knigge nun die Prüfung.

Das Ergebnis ist, wie man sieht, verheerend. So verheerend, daß der alte Vorgang noch einmal ein merkwürdiges Licht auf den aktuellen Skandal wirft. Denn: All die Merkwürdigkeiten haben keineswegs zu einem Karriereknick Jakubowskis geführt. Im Gegenteil. Nachdem er sich nachhaltig als Bruchpilot erwiesen hatte, setzte ihn das Arbeitsressort an den Steuerknüppel der Bauabteilung des Landessportbundes. Übrigens gegen die Ausdrücklichen Warnungen des Ressort-Personalrates. Die Folgen sind bekannt. Mittlerweile ermittelt eine vierköpfige Arbeitsgruppe der Kripo. Jochen Grabler

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