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Ceuta: Endstation für Flüchtlinge

■ Auseinandersetzung zwischen Immigranten und Einwohnern in Spaniens nordafrikanischer Exklave

Madrid (taz) – Ein Polizist liegt mit Lungensteckschuß im Krankenhaus, drei Immigranten sind schwer und Dutzende leicht verletzt, 200 Einwanderer verhaftet: Bilanz einer mehrstündigen Straßenschlacht in Ceuta, der spanischen Enklave an der Küste Nordafrikas. Seit über einem Jahr leben 200 Schwarzafrikaner, überwiegend aus den Bürgerkriegsländer Burundi und Ruanda, in den Ruinen einer ehemaligen Diskothek im Hafen der Stadt. Sie fordern ihre Anerkennung als politische Flüchtlinge und ein Visum, um auf das spanische Festland übersetzen zu können. Bislang aber hofften sie vergeblich. Jetzt droht den Verhafteten gar die Abschiebung.

Am Mittwoch riß den Afrikanern der Geduldsfaden, als 50 Kurden, die vor drei Monaten nach Ceuta kamen, die Überfahrt gewährt wurde. Eine 20köpfige Delegation zog laut protestierend vor das Gebäude des Zivilgouverneurs, um ihrem Visumswunsch Nachdruck zu verleihen. Sie wurden nicht empfangen.

Über das, was dann geschah, gibt es unterschiedliche Berichte. Die „Neger“ hätten sie mit Steinen beschmissen, so die aufgebrachten Anwohner. Die Weißen hätten provoziert, erklärt die Gegenseite. Als die Polizei anrückte, wuchs sich die wilde Keilerei zu einer Straßenschlacht aus. Die bedrängten Flüchtlinge errichteten Barrikaden und zogen sich unter Steinhagel und Gummigeschossen in die von ihnen bewohnte Ruine zurück.

Ein Sondereinsatzkommando stürmte schließlich das Gebäude und führte 200 Personen ab. Als sie nach draußen kamen, schlugen mehrere hundert Anwohner auf die Flüchtlinge ein. Die Polizei schaute, angeblich aus Mangel an Einsatzkräften, zu. Einer der Verhafteten konnte sich nur durch einen Sprung ins Hafenbecken vor dem Mob retten.

Das Ergebnis: 48 verletzte Immigranten, die im Militärhospital der Stadt unter Polizeibewachung behandelt werden. Im gleichen Krankenhaus wird die Schußverletzung des Polizisten Antonio Arrebola Alcántara behandelt. Der Beamte liegt auf der Intensivstation. Für Einsatzleitung und Presse ist der Fall klar: Der Täter ist ein Immigrant. Innenminister Belloch ist sich da nicht so sicher. Er will prüfen lassen, ob die Kugel nicht gar aus den eigenen Reihen kam, schließlich hätten die Polizisten mehrere Warnschüsse in die Luft abgegeben.

In Ceuta und der zweiten nordafrikanischen Enklave Spaniens, Melilla, kommt es immer wieder zu Konflikten mit illegalen Einwanderern, zum letzten Mal im vergangenen Juli. Die beiden Städte sind seit dem 16. Jahrhundert Teil des spanischen Königreiches. Von hier aus wurden einst die Kolonien auf dem schwarzen Kontinent und die Meerenge von Gibraltar kontrolliert. Heute benutzt Spanien ihre geographische Lage, um sich gegen die Einwanderer aus Afrika und vor allem aus dem Maghreb abzuschotten.

Marokkos König Hassan II. forderte vor knapp einem Monat zum wiederholten Male vor den Vereinten Nationen die Eingliederung der beiden Städte in das marokkanische Staatsgebiet, um „die territoriale Integrität“ seines Landes, das sich selbst erst Anfang dieses Jahrhunderts von Spanien und Frankreich befreite, zu verwirklichen. Reiner Wandler

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