Beim Botschaftslotto nur 2. Wahl für 3. Welt

■ Ausländische Botschaften werden über die gesamte Stadt verteilt. Immobilien werden zum Verkehrswert verkauft

In Berlin beginnt jetzt das Botschaftslotto. Für den Umzug der ausländischen Vertretungen von Bonn nach Berlin stellen der Bund, das Land Berlin sowie die Treuhandliegenschaftsgesellschaft (TLG) in einem Grundstückspool zunächst 36 Immobilien zur Verfügung. Bundesbauminister Klaus Töpfer und Berlins Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer eröffneten gestern den Run auf die repräsentativen Gebäude für die ausländischen Missionen. Von den 170 zur Zeit in Bonn vertretenen Ländern haben lediglich 38 bislang ein Grundstück oder eine Immobilie in der Hauptstadt erworben. Den anderen will die TLG jetzt den Sprung an die Spree erleichtern. Den Interessenten will man nicht nur die Immobilien präsentieren, sondern man will auch die Führung durch den Berliner Behördendschungel bis hin zur Kreditvermittlung übernehmen.

Doch ein geschlossenes Botschaftsviertel wie vor 1939 im Tiergarten und wie auch in der DDR in Pankow soll es nicht wieder geben. Zwar sollen sich natürlich auch an diesen beiden traditionellen Standorten ausländische Vertretungen niederlassen, aber Bundesbauminister Klaus Töpfer wünscht sich, daß sich die Residenzen und Kanzleien über die ganze Stadt verteilen.

Im Angebot sind Stadthäuser wie in Marzahn oder luxuriöse Villen im Grunewald. Auch das „Haus des Lehrers“ einschließlich der Kongreßhalle am Alex sind käuflich. Weitere Liegenschaften sollen in nächster Zeit hinzukommen, betonte Töpfer. Die Botschafter und ihre Mitarbeiter sollen es gut haben in der Stadt. Dafür müssen sie allerdings zwischen 400.000 und 24 Millionen Mark auf den Tisch legen. Schnäppchen und Sonderangebote gibt es für die betuchteren Diplomaten nicht. Das Mindestgebot für die angebotenen Immobilien liegt beim Verkehrswert, hieß es.

Daß sich die Länder um die schönsten Immobilien streiten könnten, hofft TLG-Geschäftsführer Günter Himstedt allerdings vermeiden zu können. Er verwies auf die langjährige Erfahrung seiner Gesellschaft bei der Grundstücksvergabe in den neuen Bundesländern.

Doch wie verhindert werden kann, daß die Botschaften kleiner, finanzschwacher Länder an unattraktive Lagen am Stadtrand etwa in Marzahn abgedrängt werden, während sich die reichen Industrieländer in der Stadtmitte tummeln, dagegen gibt es kein richtiges Rezept. Stadtentwicklungssenator Hassemer (CDU) empfahl solchen Ländern, angesichts der derzeit günstigen Büromieten schon jetzt gegebenenfalls auf dem privaten Markt langfristige Mietverträge abzuschließen oder sich einen privaten Investor als Partner zu suchen. Bauminister Töpfer hielt es jedoch für möglich, daß der Bund bei der Festsetzung der Verkehrswerte von Immobilien mit sich reden lasse. Direkte Umzugssubventionen für Staaten der Dritten Welt schloß er allerdings aus. Christoph Seils