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Ohne Moos geht's los

■ Bundesweite Tagung der "Tauschringe" am Wochenende im Mehringhof: Marktwirtschaft ohne Geld soll den Austausch im Kiez fördern und brachliegende Fähigkeiten mobilisieren

Die Ablösung der Tauschwirtschaft durch den Geldhandel wird zumeist als zivilisatorischer Fortschritt betrachtet. Jedoch scheint sich der heutige Mensch in unserer Zivilisation nicht sonderlich wohl zu fühlen. Jedenfalls sehnen sich die meisten utopischen Entwürfe in irgendeiner Form zurück nach der Urgesellschaft – zurück zu den Ursprüngen. Auf den ersten Blick scheinen auch die „Tauschringe“ einer solchen Haltung zu entspringen, die sich dieses Wochenende im selbstverwalteten Kulturzentrum Mehringhof zu einem bundesweiten „Austausch“ treffen.

Vierzig Initiativen aus dem Inland und zwölf aus den Ausland haben sich angemeldet. Dabei geht es um einen Erfahrungsaustausch der lokal arbeitenden Initiativen. Über mangelndes Interesse am bargeldlosen Austausch von privaten Dienstleistungen können sich die Organisatoren nicht beklagen. Allein der gastgebende Kreuzberger Tauschring ist seit seiner Gründung im Februar von 20 auf 200 Mitglieder gewachsen, berichtete Mitinitiator Stefan Purwin. Als wichtige Ursachen für die Beliebtheit des Verfahrens sieht er die steigende Arbeitslosigkeit sowie die größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich.

Durch den Tausch könnten sich viele Menschen Dinge leisten, für die sie sonst kein Geld hätten. Sie könnten Talente, die auf dem Arbeitsmarkt nicht nachgefragt würden, sinnvoll einsetzen. Kein Wunder also, daß Tauschringe immer dann wie Pilze aus dem Boden sprießen, wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist. In Berlin erblickten sie bereits um 1930 während der Wirtschaftskrise das Licht der Wirtschaftswelt. Zudem fördern die regen Kontakte die nachbarschaftlichen Beziehungen (und Beziehnungskisten) im Stadtteil.

Als „Verrechnungseinheit“ für Tauschleistungen dient in Kreuzberg der „Kreuzer“, in anderen Städten heißt die Währung „döMak“, „Torfdollar“, „Prinz“ oder „Talent“. Mit Gewerbeunternehmen werde wegen der steuer- und gewerberechtlichen Probleme noch nicht zusammengearbeitet, sagte Tauschring-Mitglied Joachim Wirtz. Die Initiative wolle Denkanstöße für die Wirtschaft liefern, aber keine „Umwälzung“ des Systems herbeiführen. Vorbereitet werde derzeit bereits ein Leistungsaustausch zwischen sozialen und ökologischen Projekten. Damit könnten zahlreiche Finanzierungsprobleme gelöst werden.

Zum Auftakt der Bundestagung werden heute abend der Wirtschaftstheoretiker Helmut Creutz, der Politologe Claus Offe und der Leiter des TU-Forschungsprojekts „Lokale Ökonomie“, Karl Birkhölzer, im Nachbarschaftsheim Urbanstraße über das Thema „Ohne Moos geht's los – Tauschhandel als Ökonomie der Zukunft?“ diskutieren. taz/epd

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